Er war Unternehmer und er hat die Gesetze des Marktes gekannt und für sich zu nutzen gewusst. Denn auch die DDR kam am Geld nicht vorbei und wo das Geld herkommt, da wird auch mitbestimmt, wo es lang geht.
Für die romantische Selbstbestimmung des Volkes in Freiheit und Demokratie hat Hegen in regelmäßigen Abständen eine Insellösung geschaffen: Heft 24 Malta, Heft 124 Pordoselene und Heft 223 Sporadia, dann war Schluss. Die DDR konnte ohne ihn noch mehr Geld verdienen und auf weitere Inseln verzichten
Nun - aber erst nach der Kopie des Mosaik von Hannes Hegen.
Es waren die selben Zeichner, der selbe Ideengeber. Auch dort das Gesetz der Marktwirtschaft. Ein Einzelner wurde halt beschränkt, noch mehr Geld zu scheffeln. (Wenn auch mit Eigenverschulden) Heute wird das auch versucht, aber die Gründer von Amazon bis Google haben eben eine andere Macht. Sie sind die veröffentlichte Meinung!
Er hat seine eigene künstlerische Person sowie auch seine rechtliche Position überschätzt. Unterschätzt hat er, dass auch ein mehr oder weniger gelungener Abklatsch in einem konkurrenzfreien Raum gut funktionieren kann.
Aber ich will nochmal auf das Islambild zu Hegens Mosaik-Schaffenszeit zurück kommen. Das unterschied sich doch deutlich von der heutigen Zeit. Gerade die von den Digedags bereisten Länder Türkei, Iran und schließlich Ägypten hatten doch eine erheblich liberalere Gesellschaft, in der die Religion nicht so vordergründig war wie heute.
Ich kann mich noch an einen Ausstellungsbesuch in der ägyptischen Botschaft hier in Berlin vor ein paar Jahren erinnern, in der Bilder aus den 50-iger und 60-iger Jahren eines bekannten ägyptischen Pressezeichners und Malers der Hegenzeit gezeigt wurden, auf denen er u.a. ägyptische Frauen im Bikini porträtiert hatte. Man suche solche Bilder mal heute in der Presse dieser Länder.
Insofern war sicher auch Hegens Blick auf Vorderasien eher ein kulturgeschichtlich interessierter als ein religiös skeptischer. Zumal Religion im MvHH ohnehin keine Rolle spielte.
Geändert von komnenos (18.11.2020 um 09:25 Uhr)
Na guck mal einer an, hier kommt ja richtig Schwung in die Bude. Beim Durchlesen der letzten Posts dachte ich kurz, wie gut es um Deutschland/Europa/die Welt/das Universum bestellt wäre, würden Mosaik-Fans regieren. Soviel Maßvolles und Kluges lese ich viel zu selten (z. B. bei SPON oder ähnlichen brainwashern).
Zur Religion im MvHH: Es fällt schon die, vermutlich diktierte, Zurückhaltung beim Thema Christentum auf - keine Kreuze (nagut, Ausnahme Kreuzritter), keine Kirchen, keine Gottseibeiuns-Sprüche. Beim Thema Islam war man weniger zurückhaltend, der Morgenstern ist in den Stadtsilhouetten nicht selten, Allah wird viel im Munde geführt und es werden Koransuren zitiert (ob authentisch oder nicht). Aber das war auch zu seligen Zeiten vor 11/9 etc.
Man denke aber daran, dass man sogar einen ganzen Titel zensiert hat. "Die Bastonade" war einigen zu grob , vielleicht wollte man damit aber auch keinen Afront mit arabischen Ländern riskieren? Vielleicht aber auch einfach komplett überbewertet die ganzen (aber interessanten und nicht von der Hand zu weisenden) Überlegungen hier. Mann, das war ein Bilderheftchen und da hatte man schon genug damit zu tun, die sozialistischen DDR-Aspekte zu beachten. Ob da wirklich so groß nachgedacht wurde, ob man ein Kreuz abbildet, wage ich zu bezweifeln.
Ich glaube, man hat Religion einfach als nicht mehr wichtig darstellen wollen. In gut marx. Deutung war sie doch nur noch etwas überlebtes und demnächst gesetzmäßig absterbendes. Die "amtlichen" Vertreter beider Religionen, die gelegentlich auftreten, sind doch eher lustig bis harmlos oder einfach dumm. Die beiden einzigen Ausnahmen (Coffins und der Muezzin) sind bezeichnenderweise Schwindler.
Das hier die Kreuzritter gegenüber den Türken negativ dargestellt werden, hat wohl eher einen antikolonialen Touch. Die oben aufgeführten Länder waren im DDR-Atlas doch meist "junge Nationalstaaten" und manche (wie Syrien oder zumindest in den 60ern Ägypten) doch schon fast auf dem richtigen d.h. soz. Pfad
Interessant wäre mal die Frage des Religionswechsels. Beim Strategos und Centurio wird es ja recht lustig und als eine eher kulturelle Angelegenheit dargestellt. Aber auch ein "christlicher Ritter" wie Janos scheint ja keine Probleme mit der Konversion gehabt zu haben. Wie wäre es denn eigentlich mit Suleika gewesen, wenn sie (wie ursprünglich geplant) zu Janos gezogen wäre?
Eine Krise kann jeder Idiot meistern. Was uns zu schaffen macht, ist der Alltag.
(angeblich) Anton Tschechow
Zur Religion und Orientaffinität im Mosaik empfehle ich den Tagungsband : Wagner, Wolfgang Eric
"Ritter Runkel und seine Zeit", zu Geschichtstagung in Münster 2017
speziell die Beiträge Drews: Zwischen Türkenschreck und türkischem Honig, zum Orientbild der Runkelserie.
generell wurde herausgestellt, das spezielle religiöse Symbole, gerade der europäischen Religion sehr selten thematisiert wurden.
Obwohl Hegen katholisch war und Dräger vorkriegsmäßig der Ludendorff-Gesellschaft angehörte, wurde das Islam-Geschichtsbild doch eher auf vorherrschende Kenntnisse, zB. Hauff gestützt.
Siehe dazu Thomas Kramers Ausführungen.
Drägers Eltern, (er als Hauptautor des Mosaik) waren bekennende Monarchisten und hofften bis in die 1930er Jahre, irgendeine Form der Monarchie würde nach Weimar entstehen. So kann man sich täuschen.
Drägers Sozialisation fand in diesem Umfeld statt.
Mit dem Hintergrundwissen, lesen sich die orientalischen, ich vermeide absichtlich islamischen, Bildgeschichten in einem anderen Kontext.
Geändert von gbg (18.11.2020 um 13:46 Uhr)
Den ganzen "Käse" gab es so nicht! Die Länder um Afghanistan, Iran, Irak und Syrien waren im islamischen Kontext gesehen, für heutige Verhältnisse ja fast schon liberal.
Einer von beiden hätte die andere Religion annehmen müssen, wahrscheinlich Janos, wenn er nicht selber Muslim war, seine Herkunft kann das nicht ausschließen.
Die Frau als solche, noch dazu Tochter von einem hochrangigen Vertreter des Islam, würde wohl nie die Religion eines Kuffar
"Eine gläubige Sklavin ist besser als eine heidnische Kuffar, auch wenn diese euch gefallen sollte... ein gläubiger Sklave ist besser als ein heidnischer Mann, auch wenn dieser euch gefallen sollte.“ (Sure 2, Vers 221)"
annehmen, außer sie akzeptiert den Ausschluss aus der Religionsgemeinschaft. Was nicht selten den Tod, wegen Ehrverletzung bedeutete.
Am besten fand ich ja die Parodie "Die Türken in Venedig". Was würde Erdogan heute mit Hannes Hegen machen? Ob ihn der Doge retten könnte?
Geändert von Borstel (18.11.2020 um 13:33 Uhr)
Nun für Erdogan doch was positives, halbe Strecke nach Wien schon hinter sich.
Heute machen sie es, z.B NRW mit selektiver "Inbesitznahme"
Oder man "reise" nur mal nach Frankfurt-Offenbach.... (Hessen)
oder Berlin oder Köln oder, oder, oder...
Ja, das stimmt, der Islam ist zumindest in Form von Ritualen und Symbolen präsent. Schon in Heft 1 (Seite 5) wird eines der Rituale, das Gebet, auch aufs Korn genommen, man könnte auch sagen, sich darüber belustigt.
Aber ich lese aus den Heften dennoch nirgendwo eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Religion heraus, oder gar dass die Religion zu einem handlungstreibenden Element wird.
Es bleibt aber doch offensichtlich eine gewisse Vorliebe für den Orient und insbesondere Konstantinopel/Istanbul übrig, denn auch Heft 1 würde ich schon dort verorten, auch wenn es geographisch nicht aufgeht.
Ist es das Märchenhafte, das Ferne und Andersartige oder einfach nur die Tatsache, dass diese einzige Stadt auf zwei Kontinenten als Hauptstadt dreier großer Reiche so eine Fülle an bedeutenden Ereignissen/Bauwerken/Personen hervorgebracht hat?
Wahrscheinlich ist es alles zusammen, aber nicht die Tatsache, dass der Sultan neben seiner weltlichen Funktion auch das religiöse Oberhaupt der Sunniten war.
Ist mir nicht bekannt. Nessebar in Bulgarien, wo er ja nachweislich Urlaube verbracht hat, lag immer noch ca. 100km von der türkischen Grenze entfernt. Wenn er sich zu Wiener Zeiten bereits ein bisschen für Geschichte interessiert hat, dann kam er sicher an den Türkenkriegen nicht vorbei. Und das erste Wiener Kaffeehaus wurde 1685 von einem Armenier aus Konstantinopel gegründet.
Türken konnte er natürlich nach der Wende jede Menge in Berlin erleben. ,,Little Istanbul'' (Ausspruch eines Türken, den ich im großen Istanbul getroffen habe) war ja bis zum Schluss sein Wohnort
Geändert von komnenos (18.11.2020 um 18:52 Uhr)
Vielleicht war er mal in Mittelasien, das war auch zu DDR-Zeiten möglich. Taschkent kommt dem Orient schon nahe, denn wenn sie schon nicht nach China durften, dann wenigstens auf der Seidenstrasse wandeln?
Wobei mit Little Istanbul wohl eher Berlin-Kreuzberg als Berlin-Köpenick gemeint gewesen sein dürfte.
Ich bin aber eher bei gbg, dass das Orientbild des MOSAIKs wohl mehr dem entsprang, was Hegen und Dräger früh eingeprägt wurde: Ein Märchenorient aus 1001 Nacht, aus kolonialen Bilderalben, Jugendbüchern, Abenteuerromanen, Kolportagen aus Vorkriegs-Illustrierten und Operetten. Gut geeignet als vermeintlich neutrale Projektionsfläche, um in einem Staat mit Gesinnungspolizei unverfänglich exotische Abenteuer erzählen zu können.
Lindner mit oder ohne Quellenangabe?
@pteroman:
Bei Wikipedia findet man eine Aufstellung des Anteils der Araber in den verschiedenen Berliner Stadtbezirken, leider nicht zu den Türken. Aber Lichtenberg (Karlshorst gehört zu Lichtenberg) steht da nicht viel hinter Kreuzberg.
https://de.wikipedia.org/wiki/Araber_in_Berlin
Aber auf jeden Fall gibt es am Tierpark ,,Happy Döner'' und am S-Bhf Karshorst ist Fatih Servet (,,Servet, der Eroberer'') mit einem Bistro präsent.
Kein Widerspruch, dass Hegens Orientbild nicht durch die Türken in Berlin geprägt wurde, das kann man wohl ausschließen. Eine orientalische Märchenwelt hat etwas Mittelalterliches und erschließt sich einfach nicht beim Späti um die Ecke.
Heute im Arrrrrzgebierg. Achtung: Wer sich für die oberen Figuren interessiert, sollte mir eine PN schicken.
UND DER ERSTE SCHNEE DES JAHRES:
Geändert von thowiLEIPZIG (21.11.2020 um 18:51 Uhr)
Sehe mir gerade alte Animationsfilme von Fischerkoesen aus den 40-iger und 50-iger Jahren an. Hier ein Bild aus ,,Das dumme Gänslein'' (1944, 2:09min)
Den Film selbst finde ich zwar ganz nett, aber deutlich witziger finde ich diesen Werbefilm aus dem Jahr 1951 von ihm.
https://www.youtube.com/watch?v=aCbPfppsKyM
Erinnert ein bisschen an die Darstellung der Eingeborenen in ,,Tim im Kongo''
Ginge heute so gar nicht mehr, diese PoC's (person of color) so darzustellen
Es sei noch erwähnt, dass Fischerkoesen ähnlich wie Hannes Hegen oder e.o.plauen an der HGB in Leipzig studiert hatte, bevor es im nächsten Schritt nach Berlin ging, wo dann jeweils der künstlerische Durchbruch gelang.
Geändert von komnenos (21.11.2020 um 22:05 Uhr)
Danke für den Tipp, ich habe mir den Band jetzt bestellt. Bin schon gespannt!
EDIT: Ich habe gerade gesehen, dass einer der Autoren des Sammelbandes, Michael Grünbart, auch auf der Akademikernetzwerkseite academia.edu ist, wo man seinen Artikel »Griechisches Feuer von links, hinten und vorne«Mit Ritter Runkel von Rübenstein auf Abenteuer in Byzanz legal herunterladen kann.
Geändert von Nafi Dhu Asrar (22.11.2020 um 08:43 Uhr)
Für alle Meckernasen hier nochmal ein paar Verglaiche: Original und Erzgebirgsdigedags:
Thowi, sei doch nicht so angepisst, wenn jemand es noch verbesserungswürdig findet. Du hast tatsächlich recht, dass der Vergleich durchaus gut ist. Man erkennt die Dixe ja auch auf den ersten Blick. Allerdings: Ich stelle mir aber durchaus vor, dass die Erzgebirgische Handwerkskunst, also ich rede von KUNST, die drei noch um einiges hochwertiger verhandwerken kann. Das kann und will wahrscheinlich dann aber auch wieder keiner bezahlen, deswegen genieße doch Deine Figuren und sei nicht vergrämt :-).
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