Megairas Sicht: (Chara-Post)
Wortlos hatte Megaira Cherek und seine Liebste von dannen ziehen lassen. Andromeda hatte nicht Unrecht, Samiras Kleidung ließ wirklich zu wünschen übrig, doch konnte Meg den Zorn ihre Freundes ob dieser Worte nur zu gut verstehen. Nur zu oft war die Zunge der Wirtstochter zu spitz als dass man ihr freundliches Herz dahinter erkennen konnte. Doch hatte Cherek nicht selbst immer ein Geheimnis aus seiner Beziehung zu der schönen Bauerntochter gemacht? Woher also sollten andere seine Gefühle kennen? Sein Verhalten war dennoch gut nachvollziehbar.
Allerdings kam Meg nicht dazu, Andromeda die Situation zu erklären – so gern sie das beim verletzten Gesichtsausdruck ihrer Freundin getan hätte – kaum war das Paar verschwunden eilte auch schon der Wirt auf sie zu. Mit bitteren Worten klagte er über das schändliche Verhalten Chereks in der Taverne. Die Gäste, die Mädchen. Ja sogar die Mannschaft sollte er beleidigt haben? Kaum vorstellbar, sprach Tenuron wirklich von dem gutmütigen jungen Ägypter, den sie so sehr schätzte? Doch warum sollte der Wirt lügen, immerhin war die Mannschaft der Margaretha in Kythira – zumindest inoffiziell und bei Geschäftsleuten – gern gesehen und Megairas Freunde wurden stets hoch geschätzt. Sie versprach also Cherek zu Recht zu weisen, nahm sich insgeheim jedoch vor ihren Freund zuerst nach dem Grund seines Handelns zu fragen. Sie kannte ihn gut genug um den Schmerz und die Sorge in seinem Gesicht zu lesen.
Nachdem der Wirt sich zufrieden abgewendet hatte und mit seiner Tochter zu diskutieren begann ob es für eine Frau aus gutem Hause angebracht sei sich am Hafen herumzutreiben, wandte sich Megaira suchend nach Arkanos um. Zwar war sie froh gewesen, dass er die Worte Tenurons nicht mitbekommen hatte, herrschte doch stets eine gewisse, wenn auch freundliche Rivalität zwischen ihrem Bruder und Cherek – und sie war sich sicher, dass Arkanos arglos Salz in alle Wunden streuen würde, welche er fände – doch nun wunderte sie sich, wo er geblieben war. Sie fand ihn am Eingang einer Gasse, wo er mit einem Fremden sprach und plötzlich sein Schwert zog. Sie wollte ihm zur Hilfe eilen, bemerkte aber noch zur Rechten Zeit, dass es sich nicht um einen Streit, sondern ein Duell handelte und beobachtete zunächst neugierig, dann immer verstimmter den Verlauf des Kampfes. Es war nahezu lächerlich mit anzusehen, wie Arkanos sich zurück nahm um den Fremden in einem guten Licht erscheinen zu lassen. Zugegeben, der Gegner hatte keinen schlechten Stil und einige Treffer waren sehr überzeugend, dennoch war ihr sofort klar, dass es sich nur um einen inszenierten Schaukampf handelte. Während sie noch über den Sinn des Ganzen reflektierte, beendete ihr Bruder das Schauspiel und klopfte dem Fremden fast freundschaftlich auf die Schulter, winkte ihm zu folgen und präsentierte ihr schließlich „Xenokrates, ein wie Ihr gesehen habt tüchtiger Krieger“.
Nachdem sie ihre Missbilligung über dieses Theater – schließlich hätte er ja einfach sagen können, dass er einen ausgezeichneten Fernkämpfer entdeckt hatte, den er anheuern wollte – zum Ausdruck gebracht hatte, beschloss sie ihre Laune bei einem Krug Wein und weiblicher Gesellschaft und Gesang aufzubessern. Eine schlechte Idee, wie sich herausstellte, denn sie hatte vergessen, dass sie noch immer Frauenkleider trug. So kam es, dass einige der Männer, wenigstens nur die bereits angetrunkenen, bei ihrem Erscheinen zu grölen begannen und einer sogar versuchte sie um die Hüfte zu fassen und zu sich zu ziehen. Erst nach einer schallenden Ohrfeige und einem harschen Befehl ernüchterte den Trunkenbold die Erkenntnis und er wurde blass, wich zurück und harrte seines Endes. War Meg bereits bei Telemachos plumper Anmache verärgert gewesen, so hatte ihr Zorn nun die Weißglut erreicht. Jedoch schaffte sie es, sich zu beherrschen und verließ nur kochend vor Wut die Taverne, ließ einen verwunderten Arkanos links liegen, zerrte mit ihrer ganzen Kraft – durch Wut ausreichend verstärkt – eines der Boote ins Wasser und ruderte allein an Bord zurück.
Zwar hatte die Anstrengung des Ruderns Megairas Zorn ein wenig abgekühlt, jedoch explodierte sie aufs Neue, als sie an Bord kam und feststellen musste, dass ihre Befehle kollektiv missachtet worden waren. Von Aegis hatte sie nichts anderes erwartet, aber dass sogar Mykos und Eutychia dem elenden Schurken Maristos halfen seinen Strafdienst zu erfüllen war zuviel des Guten. Nachdem sie alle gut eine viertel Stunde angebrüllt hatte – oder auch länger, jedenfalls bis ihr Hals schmerzte, ihre Stimme versagte und den anderen die Ohren klangen – befahl sie allen gesammelt an Land zu gehen. Sie sollten sich amüsieren, das Boot zurückbringen, damit die anderen an Bord gelangen konnten, oder was auch immer, Hauptsache man ließe sie in Ruhe. Nema, welche sich im Hintergrund gehalten und mit ihrem Falken beschäftigt hatte, war Meg entgangen, so dass der Kapitän nur die Priesterin und die drei Männer beobachtete um sicher zu gehen, dass diese das Schiff verließen und an Land ruderten, bevor sie unter Deck verschwand.
Am nächsten Morgen erwachte Megaira mit höllischen Kopfschmerzen und einem Atem der die Hydra vor Neid hätte erblassen lassen. Sie erinnerte sich nur schemenhaft an das, was geschehen war, nachdem sie in ihrer Kajüte verschwunden war, aber die leeren Weinamphoren sprachen Bände. Sie fuhr sich durch das zerzauste Haar und reckte vorsichtig ihre schmerzenden Glieder. Es war noch sehr früh, doch die Sonne war bereits aufgegangen. Erschrocken sprang Meg auf, sie durften auf keinen Fall den Morgenwind verpassen, sonst würden sie einen weiteren Tag auf Kythira verbringen. Doch ein weiterer Blick aus der Luke genügte um zu erkennen, dass das Schiff bereits fuhr. Auf Arkanos war selbst nach einer durchzechten Nacht noch Verlass. So leise wie möglich zog sie ihre verdreckten, vom Wein roten Kleider aus und wusch sich mit frischem Wasser aus einem Krug. Sie war gönnte sich einige Tropfen mehr um das Gesicht zu benetzen und kaute schließlich einige Kräuter um ihren Atem erträglicher zu machen. Dann schlüpfte sie schnell in eine frische Hose – ihr fiel auf, dass sie ihre Kleidung bei Andromeda hatte liegen lassen… wie ärgerlich! – wickelte sich ein Tuch um die Brust und zog ein weites Hemd darüber. Dann zerrte sie ein paar Mal vergeblich mit ihrem Hornkamm an den dichten Flechten ihrer Haare und verbarg diese schließlich wieder unter einem großen Tuch. Ein Blick in den Spiegel verriet ihr, dass sie zwar nicht taufrisch, aber durchaus annehmbar aussah – den Kater merkte man ihr jedenfalls nicht sofort an. Sie würde Mykos später um schmerzstillende Kräuter ersuchen, doch zunächst erduldete sie erstmal die Schmerzen, sie hatte sie sich schließlich verdient.
Leise versuchte sie sich an Chereks Hängematte vorbei zu stehlen. Sie hatte ihn nicht kommen gehört, aber das war ja kein Wunder. Er würde seinen Schlaf noch brauchen, immerhin war er für die späte Schicht eingeteilt, sie wollte ihn nicht schon jetzt wecken. Doch zu ihrem Erstaunen lag er nicht in seiner Hängematte sondern lehnte aufrecht an der Wand, sie wäre beinahe über ihn gestolpert. Er wirkte sehr übernächtigt und sah total fertig aus. Wie gern hätte sie ihm geholfen, doch zunächst war es wichtig, dass er sich ausschlief. So begab sie sich an Deck und genoss die Ruhe und Kühle des frühen Morgens, welcher ihre heiße Stirn kühlte und ihre Gedanken klärte. So verging die Zeit, bis Arkanos die restliche Mannschaft mit der großen Glocke weckte, der Koch und sein Schiffsjunge ein Katerfrühstück austeilten und alle nach und nach an Deck erschienen. Die Ruderer wurden ausgetauscht, alles lief wie am Schnürchen. Auch Meg holte sich einen Teller des übel riechenden aber wohl tuenden Gebräus Hermokrates’ und wurde langsam wieder fit.
Doch als sie sich zu Cherek begeben wollte, um mit ihm ein klärendes Gespräch zu führen, kam ihr dieser bereits forschen Schrittes entgegen. Das sanfte Lächeln mit dem sie ihn begrüßte, schien er nicht einmal wahrzunehmen, sondern fragte sie gereizt, ob sie ihm erklären könne warum man ihn bei der Heuer des neuen Mannschaftsmitglieds übergangen hatte. Wovon er genau redete wusste Meg nicht und das schmerzende Pochen in ihren Schläfen half ihr nicht die Erinnerungen zu sammeln. Moment, hatte Arkanos nicht am Vortag einen weiteren Ägypter angeschleppt… Xeno…irgendwas. Sie hatte keine Ahnung, aber Chereks gereizter Tonfall ließ die freundschaftliche Laune verrauchen und so zuckte sie nur mit den Achseln. Wenn er ein Problem damit hatte, dass man etwas ohne ihn entschied, dann hätte er sich am Vortag nicht so rar machen sollen. Er war es doch gewesen, der mit seiner Freundin abgezogen und für den Rest des Tages unauffindbar gewesen war – nicht, dass sie ihn gesucht hätte, doch das tat hier nichts zur Sache.
Danach folgte eine lange und ermüdende Diskussion darüber, dass man ihn als zweiten Mann an Bord auf jeden Fall hätte fragen müssen, dass ausgerechnet dieser eine Neue so ziemlich der letzte war, den er an Bord haben wollte und immer so fort. Warum zum Hades kam er erst jetzt damit an. Hätte er sie gestern angesprochen – ok, wegen des Vollrausches kaum möglich, aber auch das tat nichts zur Sache – hätte sie ja noch etwas ändern können, aber wie sollten sie den Neuen denn auf hoher See loswerden? Der einzige Lösungsvorschlag war nicht ihrer Natur entsprechend und würde auch Cherek letztendlich nicht zufrieden stellen. Nun, sollte er sich an Arkanos wenden, schließlich hatte er den neuen Mann angeschleppt und Heuer war Aufgabe von ihren Brüdern, sie hielt sich meist raus. Doch was nun kam traf Megaira unvorbereitet. Mit einem sehr ernsten und verletzten Blick teilte ihr bester Freund ihr mit, wie sehr sie ihn hintergangen und enttäuscht hatte. Das war zu viel, sie konterte wütend, dass er sich doch auch sonst keine Feinde machte und die Mannschaft im Stich ließe um Zeit mit seiner Gespielen zu verbringen – auch wenn Meg es nicht gern zugab und nicht mehr als Freundschaft für den Jungen empfand war sie doch ein wenig eifersüchtig auf Samira und das Glück der beiden. Noch während sie die Worte sprach, erschrak sie an deren Heftigkeit. Doch sie war zu verletzt und zornig um einzulenken und Cherek schien es ähnlich zu gehen, er drehte sich unvermittelt um und ließ sie stehen. Voll Wut schleuderte sie ihre Schüssel mit dem Katerfrühstück hinterher, die neben ihm an einem Pfosten zerbarst.
Es dauerte eine Weile, bis Meg sich wieder einigermaßen beruhigt hatte. Noch einmal atmete sie tief durch, bevor sie sich an Deck begab um Arkanos zur Rede zu stellen. Warum hatte er den Neuen ihr und nicht Cherek vorgestellt? Der leise Verdacht beschlich sie, Arkanos könnte von der Feindschaft zwischen dem Fremden und Cherek gewusst haben, warum sonst hätte er einen solchen Aufwand betreiben sollen ihn an Bord zu bringen? Doch sie verdrängte diesen Gedanken schnell, sie vertraute ihrem großen Bruder, er würde ihr eine solche Sache niemals verschweigen. Umso mehr traf es sie, als sich herausstellte, dass Arkanos sehr wohl von dem Streit zwischen Xenokrates und Cherek gewusst hatte.
In den folgenden Tagen wurden sowohl Arkanos als auch Cherek viel häufiger zum Ruderdienst eingeteilt, als üblich oder auch als jeder andere. Megaira ging den beiden aus dem Weg, wo sie nur konnte, kam nur an Deck wenn beide an die Ruderbänke gebunden waren und verschwand lange bevor die Schichten aufhörten. Bereits am ersten Abend hatte Cherek seine Hängematte in der Mannschaftsunterkunft wieder gefunden, ein unmissverständliches Zeichen dafür, dass Megaira seinen Schutz nicht länger wünschte. Auf der Hängematte hatte sie das fein säuberliche Paket gelegt, in dem sich die Kleidung befand, welche sie für den jungen Ägypter auf dem Markt erstanden hatte.
Um mit keinem von beiden sprechen zu müssen steuerte Meg zumeist selbst, oder überließ das Steuer Aegis und später auch Themistokles, welcher überraschender Weise nicht ein einziges Mal zum Ruderdienst eingeteilt war. Den Neuen an Bord duldete Megaira schweigend, sie schien ihn kaum wahrzunehmen.
Je länger die Spannung zwischen den drei Anführern anhielt, desto gereizter wurde die Stimmung an Bord. Der Kapitän hatte eine Laune, dass die Milch sauer wurde und ihr Blick trieb selbst den mutigsten Mann davon. Zwar hatte ihr Verhalten sich schnell gewandelt und ihre Reaktionen wurden ab dem zweiten Tag immer weniger aggressiv, sondern vielmehr melancholisch gleichgültig; dennoch wagte keiner, das Wort an sie zu richten, geschweige denn Beschwerden zu äußern. Megaira hörte sie hinter ihrem Rücken munkeln und nachts konnten Arkanos und Cherek bisweilen laute Beschwerden über ihre Schwester hören. Aber sie kamen nicht mehr an sie heran, Meg hatte sich völlig von ihren beiden Vertrauten abgekapselt und wechselte auch mit anderen kaum ein Wort. Einzig Chrys, der Schiffsjunge und dessen Affe – welcher ihm auf dem Markt einfach gefolgt war – schafften es ab und ein leichtes Lächeln auf ihre Lippen zu zaubern, doch selbst Eutychia vermochte nicht zu vermitteln, die Situation war festgefahren.
So segelte die Margaretha Negra dem Horizont entgegen, hinein ins ungewisse, denn nur der Kapitän wusste noch, wo sie sich befanden und wo ihr Ziel lag…
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