Für die nächsten drei Jahrzehnte zeichnete Schulz mit einer Krähenfeder und Tusche Tag für Tag. Er arbeitete stets alleine, ohne ein Team von Assistenten. Für einen von Selbstzweifeln geplagten Perfektionisten - Schulz bezeichnete sich selbst als fanatisch - ist der Comic-Strip das ideale Medium: Der Grad der Beziehung des Comic-Künstlers zur Außenwelt ist selbst bestimmt. Er kann aufstehen, arbeiten, seine täglichen Panels zeichnen und abends mit dem Gefühl ins Bett gehen, sein Werk getan zu haben. Schulz' Pflichtgefühl sorgte jedoch für innere Konflikte. Die zuvor unbekannten Verpflichtungen, die seine neue Rolle als weltberühmter Comic-Zeichner mit sich brachte, schufen auch neue Sorgen und Befürchtungen. Zwar liebte er es, wenn man ihn einlud oder bat, einem guten Zweck zu helfen, oder ihm angesehene Ehrungen zuteil werden lassen wollte, aber er hasste es, sein Heim und seine tägliche Routine zu verlassen. Wohl wollte er Menschen treffen und die Welt kennen lernen, doch er litt zunehmend unter Reiseangst. Er bekam Panikanfälle, wenn er ein Flugzeug betrat, und brach in Schweiß aus, wenn er nur daran dachte, die Nacht außer Haus zu verbringen. Befand er sich in der Sicherheit seines Studios, liebte er es, Fanbriefe zu Hunderten zu bekommen, doch ihm missfiel zugleich, dass sie ihm soviel Zeit abverlangten. Möglicherweise weil er so viele Anfragen für öffentliche Auftritte absagte, ging er so großzügig mit Korrespondenz um, beantwortete täglich unzählige Briefe und spezielle Anliegen von Fremden.
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Wenn er nur seine täglichen vier Panels zeichnen konnte, den Namen "Schulz" darunter setzen, sein Büro abschließen und nach Hause gehen [konnte,
Anm. Kaschi], war alles in Ordnung.
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Er fürchtete sich davor, ein Gefangener seines Erfolges zu werden, vielleicht, weil das bedeutet hätte, die Kontrolle zu verlieren.
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In den 80ern und 90ern wuchs sein Vermögen enorm. Das Magazin
Forbes führte ihn regelmäßig auf der Liste der meistverdienenden Entertainer in den Vereinigten Staaten, zusammen mit Bill Cosby, Michael Jordan und Michael Jackson. Er zeigte wenig Interesse für das Anhäufen von Geld, spendete Millionen zu wohltätigen Zwecken, immer darauf bedacht, zu betonen, dass er derselbe alte Sparky Schulz war. An seinem Zeichentisch in seinem Studio am One-Snoopy-Place in Santa Rosa zeichnete er mit den gleichen alten Stiften, den gleichen alten Federn. Er sagte gerne, dass er an dem Zeichentisch arbeiten würde, bis er ihn endgültig durchgezeichnet hätte.
Beruflich war Schulz stolz auf seine Errungenschaften. Aber Stolz auf die eigene Leistung kann nicht automatisch die Jahre ungeschehen machen, in denen er vergeblich versucht hatte, so etwas wie Stolz auf sich selbst zu entwickeln, und bis zum Schluss kämpfte Schulz mit der Einsicht, dass er tatsächlich den Respekt und die Liebe seiner Bewunderer wert war.
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Im November 1999 ... stellten die Ärzte fest, dass Darmkrebs Metastasen in seinem Magen gebildet hatte. Er unterzog sich einer Operation ... Er konnte nicht mehr deutlich sehen und nicht lesen.
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"Ich hätte nie gedacht, dass mir das mal passieren würde", sagte er. "Ich dachte immer, dass ich den Strip würde fortführen können, bis ich Anfang 80 bin oder in der Nähe. Und auf einmal ist er fort. Er wurde mir weggenommen. Das war nicht meine Entscheidung", betonte er. "Er wurde mir weggenommen."
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Als er schließlich kein Comic-Zeichner mehr sein konnte, konnte er gar nicht mehr sein.
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