Zuerst einmal:
Ich schreibe sowohl im Anime- wie auch im Manga-Forum, da grundsätzlich das Thema bei beiden Bereichen relevant ist. Viele Beispiele werden den Anime-Bereich betreffen, da jedoch Kazé das Manga-Forum wesentlich besser besucht als das Anime-Forum, macht es auch deshalb Sinn, im Manga-Forum auch zu schreiben.

Mir ist bewusst, dass dieses Thema immer wieder einen grossen Diskussionsstoff bietet. Jedoch gab es letztens ein Interview eines Kazé-Mitarbeiters und da wurde gesagt, dass Kazé ein klares Statement dazu abgegeben hat.
Auf Nachfrage kam nur vom Manga-/Anime-Magazin (leider nicht von Kazé) eine Antwort, dass dieses im Forum von Kazé zu finden wäre; man hätte jedoch keinen Link hierzu (das Comicforum hatte gerade Leistungsprobleme damals).

Nach langem Suchen fand ich jedoch nur dieses hier:
https://www.comicforum.de/showthread...=1#post5363188


Außerdem noch mal abschließend etwas zu unseren Übersetzungen: Wir machen Bücher in deutscher Sprache für deutschsprachige Leser. Japanische Namenssuffixe zu verwenden oder Personen sich abwechselnd mit Vor- und Nachnamen anreden zu lassen sind nur zwei Beispiele dafür, wie man Leser ohne Spezialwissen über japanische Etikette konsequent von der Lektüre ausschließt. Das wollen wir aber nicht, es sollen möglichst alle in die Lage versetzt werden, das Gelesene auch zu verstehen. Bei den Übersetzungen der Romane von Haruki Murakami oder Kenzaburo Oe kommt doch auch niemand auf die Idee, darin einen „Fehler“ zu sehen …
Wir hoffen, das ist ein nachvollziehbarer Standpunkt.
Dass sich die Personen näherkommen, wird i.d.R. nicht ausschließlich durch den Wechsel Nachname Vorname gekennzeichnet, sondern es gibt viele andere Hinweise, wie zum Beispiel Blicke und Gesten, gemeinsame Unternehmungen etc. Normalerweise zeigt die gesamte Handlung so etwas deutlich an.

Umgekehrt aber wird jemandem, der die Japanischen Umgangsformen nicht kennt, durch den Wechsel Nachname Vorname nicht automatisch klar, dass hier Nähe entstehen soll.

Drittens bedeutet der Wechsel oft maximale Verwirrung. Japanische Namen sind für Europäer ungewohnt und schwerer im Kopf zu behalten. Wenn dann bei, sagen wir, gleich 5 Personen die Namen wechseln, muss man sich insg. 10 verschiedene Namen merken und richtig zuordnen.

Was die Anime-Redaktion betrifft: Dort kann sich (je von Fall zu Fall) die Situation durchaus anders darstellen. Es gibt Animes, bei denen man im Voraus ziemlich sicher sagen kann, dass außer echten Fans niemand zur DVD greifen wird. In solchen Fällen kann es dann schon sinnvoll sein, den Fanwünschen entgegenzukommen und so etwas beizubehalten. Das sind dann wohl Fall zu Fall Entscheidungen. Zumindest bei Projekten, bei denen wir sowohl Anime als auch Manga haben, gleichen wir das aber ab und beide Redaktionen arbeiten zusammen.
Dieses zusammengepflasterte «Statement» ist bereits über 6 Jahre alt. Zeiten ändern sich. Meine ersten Mangas waren auch alle gespiegelt, weil man damals der Meinung war, dass dies für neue Leser weniger verwirrend ist. Heute sind bekanntlich bereits seit Jahren neu erscheinende Manga-Bände immer in der in Japan üblichen Leserichtung.
Bereits deshalb ist es sinnvoll, dass man vor vielen Jahren (der Entscheid seitens Kazé wird noch älter sein; möglicherweise über 10 Jahre alt) auch wieder überdenkt und allenfalls neu entscheidet.

Zuerst einmal was ich über dieses Statement denke:
Nein, ich sehe dies klar anders und bin nicht der Meinung, dass neue Leser «ausgeschlossen» werden, nur weil die Schüler im Normalfall mit Nachnamen angesprochen werden. Abgesehen davon, dass für neue Leser – sollten sie wirklich keinerlei Vorkenntnisse zur japanischen Kultur haben (und keine Freunde, die ihnen so etwas erklären würden) – gar nicht merken würden, wie sich die Schüler ansprechen, da sie teils gar nicht merken, ob es ein japanischer Vor- oder ein japanischer Nachname ist.
Abgesehen davon gibt es genug Beispiele aus der westlichen Welt gibt, bei denen ich nicht gehört habe, dass junge Leser/Zuschauer erschreckt wurden, weil sich Schüler mit Nachnamen ansprachen («Angst, Potter?»)
Interessant btw.: beim James Bond Film «You only live twice» wurde James Bond mit «Bond-san» (z.B. von Aki) angesprochen; auf Deutsch offenbar mit «James». Bereits in den 60er Jahren ging man also bereits davon aus, dass Zuschauer im englischsprachigen Raum nicht verwirrt wird, selbst wenn man Suffixe nutzt; selbst, wenn diese bis anhin wenig bis keinen Kontakt über japanische Gepflogenheiten haben. Offenbar glaubt man bei vielen verantwortlichen Stellen bis heute, dass deutschsprachige Leser/Zuschauer nicht so viel zumuten kann wie Englischsprachigen.

Aber nun kommen ich den Gründen, warum ich nun schreibe:

Ende August war ich im Kino für die Kazé Anime Nights (Girls Love Triple Feature). In der Schweiz werden diese seit kurzem auch gezeigt, und zwar auf Japanisch mit deutschen Untertiteln.

Insbesondere bei «Kase-san and moring glories» ist mir aufgefallen, wie verwirrend es ist, wenn z.B. «Yui» bzw. «Tomoka» in den Untertiteln steht, aber man «Yamada» und «Kase-san» hört. Und dies kommt in diesem Film wirklich sehr oft vor.
Ich selber kenne den Grund (-> dass in Japan üblicherweise mit Nachnamen angesprochen wird), aber wenn jemand den Film in OmU schaut, der sich nicht auskennt, wird doch hier wesentlich stärker verwirrt. Das Ziel, dass man «neue Leser/Zuschauer» nicht ausschliessen möchte, hat hier aus meiner Sicht genau den gegenteiligen Effekt. Für solche Leute ist es nur verwirrend und sich denken, dass bei den Untertiteln etwas falsch ist oder die Schüler in der deutschen Fassung ganz andere Namen haben und dies Dubtitles sind (somit wirken die Untertitel minderwertiger, was ich auch schade finde).

Ich verstehe deshalb nicht, warum bei Anime-Untertiteln die Vornamen verwendet werden. Dies verwirrt wie gesagt einfach unnötig. Vielleicht übersehe ich ja etwas, weshalb ich seitens Kazé gerne wissen würde, wie sie – gerade in diesem Beispiel mit «Kase-san» - dies mit den Untertiteln sehen bzw. ob sie Gründe nennen können, warum dies sinnvoll und nicht verwirrend sein soll.

Wo das Statement leider auch nicht darauf eingeht, sind jene Anime (bzw. auch Manga) Titel, die durch den «Wechsel auf Vornamen» zu grossen Problemen führen und aus meiner Sicht auch den Zuschauer (bzw. Leser) verwirrt. Hier einige Beispiele:

- Pretty Cure
Bei der deutschen Synchro sprachen sich die beiden Hauptcharaktere von Anfang an mit Vornamen an (im Gegensatz zum Original). In der 3. Folge (Angaben ohne Gewähr) haben sich beide überlegt, ob man sich nun gut genug kenne, um sich nun mit Vornamen ansprechen kann.
In der deutschen Synchro macht diese Folge natürlich keinen Sinn, weil man sich ja bereits mit Vornamen anspricht. Man «löste» dies so, dass Anfang der Folge die beiden sich («plötzlich») mit Nachnamen ansprechen, nur um dann am Ende der Folge zu vereinbaren, dass sie sich mit Vornamen ansprechen (was sie in den vorherigen Folgen bereits immer taten). Das ist nun erst recht verwirrend, dass man dies so löste.

- Card Captor Sakura (die alte Serie)
Im Original sprechen sich zu Beginn Sakura und Shaoran (sobald er in der Serie erscheint) wie üblich mit Nachnamen an. Auf Deutsch wissen wir: sie sprechen sich mit Vornamen an.
In der 2. Hälfte der Serie (die nie in einer deutschen Synchro erschien) gibt es wie bei Pretty Cure auch die Überlegungen beider Seiten, ob man sich mit Vornamen ansprechen soll (nachdem Shaoran einmal «Sakura» schrie, als sie in einer gefährlichen Situation war). Dieses Thema war eine Folge später noch präsent.
Diese Folgen waren auf Netflix zu sehen, jedoch nur in der OmU-Fassung. Interessanterweise hat Netflix offenbar zwar Untertitel erstellt, jedoch keine Synchro. Vielleicht fanden sie keine geeignete Lösung (jene bei Pretty Cure ist ja auch nicht gut), weshalb sie ganz darauf verzichten, weil dies nur verwirrt.

- School Rumble
Der wiederkehrende Joke liegt in dieser Serie darin, dass die beiden männlichen Hauptcharaktere glauben, sie wären Rivalen, weil sie vermeintlich das gleiche Mädchen lieben. Jedoch lieben sie jeweils die andere Schwester, wären also keine Rivalen bezüglich ihrer heimlichen Liebe. Da beide Schwestern logischerweise den gleichen Nachnamen besitzen und man in der Schule (im Original) den Nachnamen nennt, kommt es ständig zu diesen Missverständnissen.
In der deutschen Fassung gehen diese Jokes leider verloren; sowohl im Manga wie auch im Anime. Tokyopop hat hier ein etwas anderes System bezüglich der Namen, jedoch besitzt dies die gleichen Probleme. Da insbesondere die männlichen Schüler die Schülerinnen mit Vornamen ansprechen, gehen diese Missverständnisse verloren; und damit viel Situationskomik. Wenn man den Anime in der OmU-Fassung schaut, muss man die Untertitel besser ignorieren (nur bei dieser einen Sache), damit man eigentlich versteht, warum die Charaktere so reagieren, wie sie es gerade tun. Sonst wirkt es auch etwas verwirrend.

- We never learn
Zu Beginn der 2. Staffel spricht Fumino beim Lernen Nariyuki mit Vornamen an, was in der Lerngruppe zu Verwirrung sorgt (da alle Mädels ihn bis jetzt mit Nachnamen ansprachen bzw. mit Nachnamen angesprochen wurden; mit einer Ausnahme). Nach einer Diskussion über «Freundschaft vertiefen» war dies im Original grösstenteils geklärt; Fumino ist es aber noch am Abend peinlich, weil sie ihn mit Vornamen ansprach und muss sich ihrer Gefühle bewusstwerden.
Bei den Untertiteln wurde dies (Wakanim-Simulcast) ganz OK gelöst und Wakanim ist nicht gerade ein Publisher, der bei der Übersetzung als mutig gilt. So wurden auch schon «Karaage» als «Chicken Nuggets» übersetzt (aus meiner Sicht unnötig) und Suffixe und Ranganreden (wie Senpai oder Sensei) werden konsequent nicht benutzt.
Kazé hingegen hat bei der Synchro offensichtlich wieder alles mit Vornamen versehen. Wie das Problem gelöst wird, wissen wir noch nicht. Aber es wird hier auch klar sein, dass es für den Zuschauer verwirrend sein wird, weil die Diskussion über «Wir vertiefen unsere Freundschaft und sprechen uns nun alle mit Vornamen an» ja völlig sinnlos ist, wenn man sich bereits ab der ersten Folge der ersten Staffel sich mit Vornamen anspricht.
Hierbei habe ich Kazé auf Twitter bereits angesprochen, jedoch keine Antwort erhalten, wie der Publisher dieses Problem lösen möchte, ohne dass es verwirrend wird mit den Dialogen.

- Nicht schon wieder Takagi-san
Hier ist es ein wenig ironisch, dass die Vornamen beider Hauptcharaktere gar nicht bekannt ist und Kazé hier gezwungen sein wird, den Nachnamen zu verwenden; gegen ihre festgelegte Praxis.
In der 2. Staffel wird aber das Ansprechen auch bei einer Folge ein Thema. Hier geht es nur um Suffixe (Nishikata möchte Takagi aus dem Konzept bringen, indem er sie nicht «Takagi-san» anspricht, sondern nur mit «Takagi»). Wie üblich geht das ganze in die Hose und er spricht sie – weil es ihm zu peinlich ist ohne Suffix – weiterhin mit «Takagi-san» an. Hingegen spricht Takagi von ihn nun (bzw. ist ein Rückblick, da nicht alles chronologisch ist) mit «Nishikata» an.
Die Synchro gibt es bereits auf Netflix und dort hat man (auch zu meiner Überraschung) die Suffixe verwendet; natürlich auch bei den Untertiteln. Alles passt damit und die Dialoge sind deshalb plausibel. Natürlich kann man hier sagen, dass ein neuer Zuschauer hier verwirrt sein könnte, weil er diese Suffixe nicht kennt. Interessant ist jedoch, dass mit Netflix ein Publisher aus dem angelsächsischen Sprachraum uns Zuschauern mehr zumutet. Hinzu kommt, dass für Netflix Anime nur ein kleiner Bereich ist. Sie pushen Anime zwar, jedoch ist die Wahrscheinlichkeit gerade bei Netflix wohl höher, dass «Anime-Neulinge» dort einen Titel schauen als bei AOD/Kazé, Wakanim oder Crunchyroll, die (grösstenteils) nur Anime im Programm haben.

Mein Fazit:
Bei «Schul-Anime»-Titeln ist immer wieder die Gefahr gross, dass es Folgen gibt, in denen die Dialoge keinen Sinn ergeben (oder man wie bei Pretty Cure verwirrende «Lösungen» finden muss), weil im Original die Charaktere abmachen, sich nun mit Vornamen anzusprechen, während dies auf Deutsch bereits immer getan wurde.
Wenn man sicher gehen möchte, dann ist es deshalb bei «Schul-Anime»-Titeln sinnvoll, dass die Charaktere die anderen so ansprechen, wie dies im Original getan wird; ohne Suffix reicht meistens, wenn man aber (wie bei Takagi-san) ganz sicher gehen möchte, dann auch inklusive Suffixe. Denn dann vermeidet man jede verwirrende «Notlösung», um die Dialoge irgendwie noch zu retten.

Bei «Fantasy»-Titeln etc. kann man sicherlich eine «westliche Lösung» bezüglich Anrede verwenden. Schliesslich ist man gar nicht in Japan, sondern in einer fiktiven Fantasy-Welt, weshalb japanische Gepflogenheiten auch nicht zwingend in dieser Fantasy-Welt üblich sind. Hinzu kommt, dass solche Szenen – wo man abmacht, dass man sich nun mit Vornamen anspricht – in solchen Titeln sehr viel seltener vorkommen (mir kommt jetzt «spontan» auch nichts in den Sinn).

Was jedoch aus meiner Sicht in Anime zwingend bei Kazé ändern muss, sind die Untertitel.
Es verwirrt wirklich sehr stark, wenn in den Untertiteln der Vorname steht, man gleichzeitig den Nachnamen hört. Für «Neulinge» ist dies sicherlich nochmals wesentlich verwirrender. Hier sollte man bei der Übersetzung die Namen wie im Original verwenden. Aus meiner Sicht sollte man hier sogar die Suffixe in den Untertiteln verwenden. Selbst wenn man diese als «Neuling» nicht gut kennt («Bond-san»), dann verwirrt dies nicht so, sondern ist sehr rasch sogar eher eine Hilfe (z.B. dass jemand mit Nachnamen «Yuiga» heisst und nicht «Yuigakun»).

Sobald man «Schul-Anime» schaut, wird ein Zuschauer – auch ein Neuling – mit japanischen Gepflogenheiten in Kontakt kommen. Aus meiner Sicht ist das Verwenden von Nachnamen (und Suffixen) nur ein kleines Thema. Da gibt es in Japan viele kulturelle und gesellschaftliche Punkte, die mich – selbst als «Nicht-Neuling» - viel mehr verwirrte. Hier meine Top 3:

- Platz 3: Händchenhalten in der Öffentlichkeit gilt als «mutig»
- Platz 2: Die Existenz von «indirekten Küssen»
- Platz 1: Frauen, die als Karriereplan «Ich möchte eine Braut werden» sagen

Und dies ist bei weitem nicht alles, was ein «Neuling» lernen muss. Schuhe bei der Schule wechseln (und dass im Schuhfach auch ein Liebesbrief liegen kann), Reinigungsdienste (und weitere Dienste) in der Schule, Hausaufgaben während den Schulferien, Futons, Onsen, Tempelbesuche zum Neujahr, etc. sind nur wenige Gebräuche, die man hier in Europa nicht in dieser Form kennt, aber zwangsläufig lernen muss, wenn man «Schul-Anime/Manga» konsumiert.
Da ist es wie gesagt eigentlich eine einfache Sache, dass man sich merkt, dass Schüler sich üblicherweise mit Nachnamen anspricht und nur engere Freunde mit Vornamen; was wie erwähnt auch in englischen Zauberschulen offenbar üblich ist und niemand verwirrt war.