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Ergebnis 851 bis 875 von 1107

Thema: Just my 2 cents - (nicht ganz so kurze) Reviews von God_W.

  1. #851
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    Berserk – Ultimative Edition 1



    Das hochgelobte Opus Magnum von Mangaka Kentaro Miura, leider mittlerweile verstorben, beginnt mit einem „dreisten Szenenklau“ aus John Milius‘ erster Conan-Verfilmung mit Arnold Schwarzenegger, denn Guts, der Held unserer Geschichte hat ein sexuelles Stelldichein mit einer Lady, die sich als Monster entpuppt. Nachdem der nicht sonderlich überrascht wirkende Krieger die Lady mit den scharfen Hauern beseitigt hat folgen wir ihm auf seinem weiteren Weg.

    Im weiteren Verlauf ist der Titel Programm, denn wie ein Berserker schnetzelt sich der wortkarge, und bislang nicht sonderlich sympathische Schwertschwinger durch Banditen, Skelette, Söldner und andere Krieger. Er scheint auf der Suche nach irgendetwas zu sein, trägt ein mysteriöses Mal an seinem Hals und ein Schert auf dem Rücken, welches eine absurde Größe aufzuweisen hat. Könnte locker als Vierhänder durchgehen.


    Unterwegs rettet Guts einer kleinen Elfe das Leben, welche fortan an seiner Seite bleibt und ihm bei Bedarf ihre Heilkräfte angedeihen lässt, auch wenn es der einäugige Recke ganz und gar nicht leiden kann, wenn er angefasst wird. Am Ende scheint Guts in einem dämonischen Herrscher, den er bekämpft, etwas von dem gefunden zu haben, wonach er sucht, aber das werden wir wohl erst im nächsten Band erfahren.

    Ich muss sagen, das etwas pulpige Dauergeschnetzel war schon ganz kurzweilig, aber rein erzählerisch bin ich noch nicht wirklich abgeholt. Der gefühlskalt wirkende Protagonist hat bislang kaum Tiefe, aber ich hoffe mal, dass in der Richtung noch einiges kommt, bei den Actionszenen hätte ich mir stellenweise ein oder zwei Panels mehr gewünscht, um besser verfolgen zu können, was da gerade passiert. Da fließt schon ganz schön viel „Blut den Rinnstein runter“ (will heißen, von einem Panel zum nächsten passieren sprunghaft Dinge, die nicht immer leicht nachzuvollziehen sind). Das Artwork selbst ist zumeist stark und gibt das größere Format absolut her, da bin ich froh, nicht die kleineren Max-Bände zu haben.


    Bislang also eine recht dünne, sehr blutige und actionlastige Geschichte, in die durch die kleine Elfe etwas Text und Witz gebracht wird. Alles in starken Bildern, aber für ein Meisterwerk fehlt da noch Einiges. Aber hey, das waren die ersten zwei von bislang 41(!!) Ausgaben (in den Ultimativen Editionen werden immer zwei reguläre Bände zusammengefasst), da kann noch viel passieren.

    6/10

    VG, God_W.
    Geändert von God_W. (25.02.2023 um 22:54 Uhr)
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  2. #852
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    Phantom #2



    Das zweite Phantom-Magazin des Zauberstern-Verlags wartet so ziemlich mit den gleichen Stärken und Schwächen auf wie der Erstling. In den ersten drei enthaltenen Heften wird der zweite und finale Teil von „Der Geist und das Monster“ zu Ende erzählt, was zwar schon unterhaltsam ist, aber kaum Überraschungen bietet und zeichnerisch einfach am unteren Ende rangiert.


    Die Classic Story „Die Giganten vom Niemandsland“ weiß dann schon etwas mehr zu gefallen, als die Fischmenschen-Geschichte im ersten Heft, bietet mit ihrem Plädoyer für Dialog und gegen Sklaverei auch eine schöne Botschaft, ist aber ebenfalls sehr vorhersehbar und eher einfach gestrickt. Vermutlich wieder für ein eher jüngeres Publikum angedacht, an sich aber nicht schlecht und optisch zumindest eine kleine Verbesserung.


    Das Cover ist erneut grandios und auch das Poster in der Mitte ist gelungen. Dennoch bin ich mir nicht sicher, ob das Magazin in der Form lange Bestand haben kann, denn für mich ergibt sich der Eindruck, dass die Größe und der Umfang den Preis von 9,99€ zwar rechtfertigen, dieser aber eher was für finanzstarke Käufer ist. Dieses „ältere“ Publikum wird aber vielleicht mit den recht seichten Stories nicht so warm werden. Naja, wir werden sehen.

    4,5/10

    VG, God_W.
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  3. #853
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    Berserk – Ultimative Edition 2



    Gerade weil mich Band 1 nicht zu 100% überzeugt hat wollte ich möglichst schnell Band zwei hinterdrein lesen und was soll ich sagen? Hier wird die Geschichte um Guts schon deutlich tiefgehender und packender. Zu Beginn spitzt sich der im Vorgängerband begonnene Dämonen-Fight zu einem blutigen Finale zu, jedoch nicht ohne zuvor fünf übermächtige Wesen, die Dämonen der God Hand auf den Plan zu rufen. Zu einem von denen, Griffith, scheint Guts ein ganz spezielles Verhältnis zu haben, aber davon später mehr.


    Jetzt folgt erstmal ein zeitlicher Rücksprung, nämlich zu Guts Geburt, als die Nabelschnur aus einer erhängten Frau bis zum Boden führt und an deren Ende ein schreiendes Baby im Schlamm liegt. Ihr merkt, zimperlich geht es in der rauen Welt unseres späteren „Schwarzen Ritters“ nicht gerade zu. Auch im weiteren Verlauf seiner Kindheit hat es der Junge nicht leicht. Von Kindesbeinen an wird er zum Söldner, zum Krieger, zum meisterlichen Schwertschwinger erzogen, muss aber auch schon mit sechs Jahren als Knappe dienen, mit neun in seine erste Schlacht ziehen und nur wenig später erfahren wir auf denkbar furchtbarste Art, weshalb unser Dämonen-Jäger nicht von anderen angefasst werden möchte.

    Viele Widrigkeiten hat der Teenager auf seinem Weg zum Mann zu bestehen, aber er übersteht sie alle, wird zu einem immer besseren und besseren Kämpfer, macht sich einen und hält sich mit seinem furchtlosen und wilden Kampfstil schon bald für unbesiegbar – doch dann trifft er Griffith…


    Na geht doch! Ein spannender Pageturner, bei dem man endlich mehr über den wortkargen Helden erfährt, dem ich hier aufgrund seiner zu erleidenden Torturen schon deutlich wohlwollender und mitfühlender gegenüberstehe. So langsam bekommt der Charakter Tiefe und wie die Geschichte weitergeht hat sich zu einem spannenden Rätsel entwickelt. Was Guts alles für Verletzungen und Wunden wegzustecken weiß, ohne zu sterben oder zumindest bewegungsunfähig zu werden ist schon eine wahre Pracht, sowas sollte man also nicht allzu kritisch hinterfragen. Das Artwork ist nochmal stärker als im Ersten Band, gerade in den Schlachten unglaublich detailreich, und auch die Actionszenen wirken flüssiger inszeniert als noch im ersten Band, ich denke da hat Mangaka seinerzeit noch Fortschritte gemacht. Klasse, so kann es weiter gehen!

    8/10

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  4. #854
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    Phantom #3



    Ach herrje, nachdem bei den ersten beiden Heften die Cover als nahezu alleinige Lichtblicke angesehen werden konnten, geht auch dieses Plus mit der dritten Ausgabe des Phantom Magazins den Bachgraben runter! Unterdurchschnittliches 08/15-Einheitsbrei-Bildchen, nicht zu vergleichen mit den stimmungsvollen Eyecatchern der ersten beiden Hefte. Jetzt können sie das Magazin endgültig zu Grabe tragen.

    Doch halt, was ist das? Sehe ich da etwa Neuerungen? Richtig, schon beim Aufschlagen sticht mir eine Änderung ins Auge, die ab dieser Ausgabe hoffentlich Schule macht: Leserbriefe! Und zwar nicht nur freudige Lobhudeleien darüber, dass das Phantom zurück auf dem deutschen Comic-Markt ist, nein, auch kritische Stimmen werden gedruckt und beantwortet, so lobe ich mir das!


    Auch der Inhalt hat sich gewandelt. Bekamen wir zuletzt eine Mischung aus neueren Geschichten und Classic Stories, so gibt es diesmal den Start einer längeren, zusammenhängenden Strecke zu lesen. Die ganze 13 Einzelhefte umfassende Strecke „Phantom – Ghost who walks“ startete im März 2009 und soll in diesem und den nächsten Phantom-Ausgaben, immer im Wechsel mit anderem Material, komplett abgedruckt werden, also mal schauen, ob das was taugt!

    Die fanatische Sekte Al Shibab startet nach jahrelanger Planung einen weltweiten Terror-Krieg, die sogenannte „Säuberung“, und unser Phantom ist mittendrin und versucht das Schlimmste zu verhindern. Mit „Flammen der Vergeltung“ gelingt den Machern zum Einstieg ein packender, actiongeladener Dreiteiler, der nicht nur besser aussieht als alles, was bislang im Phantom-Magazin zu lesen war, sondern den Helden auch in ein neues Jahrtausend katapultiert, ohne die alten Stärken zu vernachlässigen. Da gibt es zwischen all den explosiven Katastrophen Kevlar-Westen und Hacker, aber ebenso typische Abenteuer-Action-Passagen, die das gewisse Flair verströmen. Dass sich die Terroristen bereits 2009 im Phantom-Heft Viren aus Wuhan für ihre finsteren Zwecke besorgten, ist ja schon beinahe prophetisch…


    Das vierte enthaltene Heft erzählt dann etwas losgelöst vom Rest die Geschichte einer spanenden „Hetzjagd“, bevor die Fortsetzung angetriggert wird und am Ende noch die Cover zu den Einzelausgaben folgen. Wie es weiter geht, werden wir aber erst im übernächsten Heft erfahren, denn in Ausgabe #4 wartet vorerst wieder eine Mischung anderer Geschichten.

    Ja verdammt, jetzt haben sie mich am Haken! Tolle Story im Heft, deutlich bessere Zeichnungen, Leserbriefe… - wenn jetzt auch noch die tollen Cover zurückkehren entwickelt sich das Phantom Magazin noch zu einem Rundum-Sorglos-Paket! Ob das ganze jetzt wirklich ein richtiger Knaller war, oder meine Euphorie einfach daher kommt, dass mich die ersten beiden Ausgaben etwas enttäuscht haben, sei mal dahingestellt, aber auf alle Fälle hatte ich mächtig Spaß mit dieser Ausgabe!

    7,5/10

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  5. #855
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    Sea Dogs – Blutige Wellen (Hill House Comics)



    Der nächste Hill House Comic ist ein kleiner Spezialfall, denn wenn ich das richtig sehe, gab es den in den Staaten in der Form, so als gesammelte Werke, gar nicht. Ich habe das limitierte Hardcover und finde es schade, dass die Optik nicht den übrigen Hill House Bänden aus dem Black Label entspricht, aber offenbar hat Panini ganz schön gekämpft, um den Band überhaupt in der Form bringen zu können und auch wenn mir das umlaufende Cover in der Optik einer Seekarte jetzt nicht allzu gut gefällt bin ich doch happy, dass wir die Story hier kredenzt bekommen.


    Der enorm coole Mix aus historischen Ereignissen während des Unabhängigkeitskrieges der vereinigten Staaten und dem Einsatz von „Hunden des Krieges“, „Werwölfen“, „Seemanns-Wer-Hunden“ oder wie auch immer man das bezeichnen möchte, bietet viel mehr, als man aufgrund des äußerlich recht dünnen Bandes erwarten möchte. Die Story ist spannend und zu Beginn schön undurchsichtig, die Optik und vor allem das Setting wissen mir als altem Seebären im Geiste enorm zu gefallen und auch inhaltlich wird überraschend viel Text mit hoher Storydichte geboten. Trotz einiger abgefahrenen Ideen und der schön wilden Grundidee wir die Geschichte selbst mit äußerster Ernsthaftigkeit erzählt und ebenso starke Grusel- und Horrorelemente eingeflochten.


    Da der Comic ursprünglich in Mini-Häppchen von wenigen Seiten als Fortsetzungsgeschichte in früheren Hill House Heften erschienen ist gleicht der Erzähl-Rhythmus in etwa dem von Sonntagsseiten wie beispielsweise Eisenherz, Lance oder Flash Gordon, aber in einem sehr positiven Sinne, wenn man diesem Stilmittel etwas abzugewinnen vermag. Ein starker Band, der mich insgesamt äußerst positiv überraschen konnte und für mich zu den Besten Hill-Bänden unter dem Hill House Label zählt.

    8-8,5/10

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  6. #856
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    Phantom #4



    Ha! Die grandiosen Cover sind zurück! Sehr schön, dass die vierte Ausgabe des Phantom-Magazins schon von außen direkt wieder ein Augenschmaus ist, der in Sachen Style ein wenig an ein Kinoposter eines 70er Jahre Blaxploitation-Streifens erinnert. I love it!


    Im inneren geht es leider nicht mit „Ghost who walks“ weiter, aber das wurde im vorangegangenen Heft ja bereits angekündigt. Dafür sind die Leserbriefe wieder da und als weitere Neuerung und Verbesserung finden sich jetzt alle wichtigen Infos zu den enthaltenen Heften, also wann und wo sie unter welchem Titel zuerst erschienen sind, im Inneren der Ausgabe. Daumen hoch an Zauberstern, Ihr werdet immer besser!

    Das Cover passt dann auch gleich zur ersten Story, „Blutsbrüder“ aus Schweden, die zuerst nicht in den 70ern, sondern 1996 erschien. Coole Crime-Story über einen schief gelaufenen Einbruch, bei dem sich die Gangster nicht ganz grün sind. Stimmiges, kunterbuntes Artwork.


    Darauf folgt ein von Jules Vernes „In 80 Tagen um die Welt“ inspirierter Zweiteiler, in welchem im Jahre 1889 eine Lady sich auf macht, um eben diese 80 Tage zu unterbieten, auf ihrer gefährlichen Reise aber Unterstützung, bzw. Schutz vom Phantom benötigt. Da dieses aktuell schwer verletzt darnieder liegt springt kurzerhand seine Zwillingsschwester Julie Walker in den lila Anzug. „Julie Walker – Wettlauf gegen den Tod“ von 2010 ist ein kurzweiliger und stimmungsvoller Abenteuerausflug und zugleich eine schöne Hommage an die Vorlage.

    Zum Finale bekommt es das Phantom in „Requiem“ im ersten Weltkrieg bei der Schlacht von Verdun ausnahmsweise mal nicht mit Nazis, sondern mit der „Vereinigung der Geier“ zu tun. Recht aktuell 2022 in Australien erschienen weist der Comic schon eine gewisse Härte auf, weiß aber mit seiner straffen Erzählweise und dem guten Artwork durchaus zu gefallen.


    Insgesamt ein schön gemischter Band mit unterhaltsamen Phantom-Comics aus drei Jahrzehnten, allen wichtigen Infos dazu, schickem Cover, kurzer Einleitung aus der Redaktion und einigen Leserbriefen nebst Antwort. So haten sie mich bei der Stange, so macht das Spaß! Jetzt freue ich mich schon auf Heft #5 , gerade erschienen werde ich mir das im Laufe des Monats sicher besorgen, denn da geht es ja mit dem 13-Teiligen „Phantom – Ghost who walks“ weiter!

    7/10

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  7. #857
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    Berserk – Ultimative Edition 3



    Wir bleiben sozusagen in der Vergangenheit und verfolgen weiter den Weg des aufstrebenden Kriegers Guts, der vom gutaussehenden Griffith, in der Tat sieht der wie ein wunderhübsches Mädchen ohne Oberweite aus, in die Söldnertruppe der Falken aufgenommen wurde. Die Truppe kämpft in Midland für den König und stellt sich dabei so gut an, dass Griffith sogar zum Ritter geschlagen und in den Adelsstand erhoben wird. Das sorgt bei Hofe natürlich extrem für Unmut, denn auch wenn die Truppe Monstren wie den Unsterblichen Zodd besiegt, bleiben sie nun mal niederes Volk.


    Jetzt sind die Adeligen und Teile der Königsfamilie also äußerst ungehalten und wenn ein gerissener, hinterhältiger „Berater“ dann noch einige Strippen zieht, wird es schnell ungemütlich. Dass sich die Prinzessin offensichtlich in Griffith verguckt, macht es nur noch schlimmer. In der Söldnertruppe der Falken selbst scheint sich die starke Kämpferin Kjaskar schon vor einiger Zeit in Griffith verliebt zu haben und ist enorm eifersüchtig auf den schnellen Aufstieg von Guts und dessen Vertrautheit mit dem Anführer der Gruppe.


    So werden Ränke geschmiedet, Intrigen gesponnen und Attentate verübt, dass es selbst Game of Thrones gerecht werden würde. Unser Titelheld bleibt da weiterhin nicht immer auf der positiven Seite der Sympathie, denn auch Kindermord steht, zugegeben etwas unfreiwillig, auf seiner Agenda. Dennoch finde ich die Charakterentwicklungen sehr gelungen und am besten gefällt mir, wie sich die Beziehungen einiger Protagonisten untereinander stetig verändern und weiterentwickeln. Die Action fetzt eh, die Zeichnungen sind spitze und wie sich die Dinge rund um Griffith und Guts weiter verstricken, um schließlich bei Band #1 zu landen, darauf bin ich maximal gespannt.

    8/10

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  8. #858
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    Über ein Jahr tobt jetzt bereits der russische Angriffskrieg in der Ukraine und manchmal bin ich wirklich erschrocken über mich selbst. Denn bei all den täglich eintrudelnden Schreckensmeldungen ertappe ich mich mittlerweile regelmäßig dabei, dass ich diese fürchterlichen Vorgänge beinahe abgestumpft als alltäglich hinnehme und mir erst wieder bewusst machen muss, was das für die Menschen dort und ihre Angehörigen, die hier und in anderen Ländern Zuflucht gesucht haben, bedeutet. Für uns schlägt sich das allenfalls in höheren Kosten im Alltag nieder, und man läuft Gefahr die ganze Misere darauf zu reduzieren. Wirklich betroffene Personen wären sicherlich überglücklich, wenn das die einzigen Auswirkungen auf ihr Leben wären. Einfach fürchterlich und grausam, was die betroffenen Menschen erleiden müssen. Gerade die letzten anderthalb Wochen, seit dem Jahrestag des Kriegsbeginns, treibt mich das Thema wieder deutlich stärker um, weshalb ich den ein oder anderen Comic mit Kriegsthematik aus dem Regal gezogen habe und auch aktuell lese. Deshalb werde ich jetzt, wie vergangenes Jahr auch, mal wieder eine Woche mit Comics mit Kriegsthematik einlegen.


    Blazing Combat – Gesamtausgabe (Vorzugsausgabe)



    „Die besten Kriegscomics aller Zeiten“ werden auf dem Cover großmundig versprochen. Okay, das ist schon mal ein Statement, aber was ist an der Sache wirklich dran? Zur Einordnung hilft das Umfangreiche und, wie so oft beim All Verlag, äußerst gelungene Bonusmaterial. Als diese Kurzgeschichten entstanden und in vier Magazin-Ausgaben veröffentlicht wurden gab es so großartige und beeindruckende Werke wie Art Spiegelmanns „Maus“ oder den 2020 bei Carlsen erschienen Band „Die Bombe“ noch nicht. Ein Vergleich mit derartig ausführlichen Erzählungen hinkt auch ein wenig, denn bei „Blazing Combat“ handelt es sich um Kurzgeschichten, erzählt zumeist von Archie Goodwin, einer wahren Größe der Branche und gezeichnet von einem ganzen Heer legendärer Künstler wie Wally Wood, Gene Colan, John Severin, Alex Toth uvm.. Dargeboten wurde das alles hinter vier Covern des Großmeisters Frank Frazetta.


    Das klingt alles enorm vielversprechend und ich kann bestätigen, der Inhalt hält diese Versprechen in den allermeisten Fällen. Die Geschichten greifen verschiedenste Situationen in den unterschiedlichsten Bereichen der Kriegsführung einiger der größten Konflikte der Weltgeschichte auf. Gemeint ist der Kampf auf dem Boden, in der Luft sowie zur See. Es spielt also nicht alles im zweiten Weltkrieg, sondern wir bekommen neben diesem, sowohl in Europa als auch im Pazifik, auch Episoden aus dem amerikanischen Bürgerkrieg, aus dem Unabhängigkeitskrieg, dem ersten Weltkrieg und – und das ist wohl hauptsächlich die Krux an der Sache gewesen – auch aus dem zum Erscheinungszeitpunkt brandaktuellen Vietnamkrieg geboten.


    Heruntergebrochen wird das Ganze immer auf die Erlebnisse des letzten kleinen Mannes in der Befehlskette, des Soldaten an der Front, des stürmenden Kavalleristen, des Piloten im Cockpit, des Seemannes im Wasser nach dem Schiffbruch oder sogar des alten Bauern auf dem Reisfeld, einem der vielen unschuldigen Opfer der Maschinerie Krieg. Somit haben wir hier mitnichten actiongeladene, „fetzige“, von Abenteuer durchzogene Kriegsgeschichten, sondern wahre Antikriegscomics. Tragische Erzählungen voller Drama und Traurigkeit, zumeist mit bitterem, deprimierendem Ausgang – und zwar für beide Seiten, so wie es oft auch der Realität entspricht. Kein klares Bild von Schwarz und Weiß, denn auf beiden Seiten sind Zweifel, Gewissensbisse und unvorhergesehene Handlungen voller Güte zu finden.


    Diese „antipatriotische“ Haltung ließ die Macher von „Blazing Combat“ schnell in den Fokus von Großkonzernen, der Regierung und der Armee rücken. Eine derart kritische Darstellung des Kriegsgeschehens, während amerikanische Soldaten in Vietnam sterben, wurde gar als Landesverrat dargestellt. Die Comics wurden somit vertriebsseitig boykottiert, was zu massiven roten Zahlen und infolgedessen zur Einstellung der Reihe führte. Für uns bleiben diese starken Werke der Neunten Kunst erhalten, jetzt in gesammelter Form und toller Qualität, und alleine die faszinierende Entstehungsgeschichte macht diese Geschichten, trotz der ein oder anderen inhaltlichen Unzulänglichkeit, Wert gelesen zu werden. Vielleicht heute nicht mehr die allerbesten Kriegscomics aller Zeiten, aber sicherlich zum Zeitpunkt ihres Erscheinens die mutigsten.

    8,5-9/10

    Die Vorzugsausgabe kommt nicht nur im Schutzumschlag, sondern auch mit Prints der Originalcover von Frank Frazetta:


    VG, God_W.
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  9. #859
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    Die Wege zum Ruhm – Gesamtausgabe



    Nach den Sprüngen durch verschiedenste kriegerische Auseinandersetzungen bei „Blazing Combat“ verschlägt es mich in „Die Wege zum Ruhm“ zusammen mit dem Protagonisten Raymond Lécluse zuerst in die Nachwehen des ersten Weltkriegs und später, nach dessen Eintritt in die Französische Fremdenlegion, nach Algerien, wo sich die Franzosen, wie so viele Besatzungsmächte auf der Welt, in den 100 Jahren zuvor nicht gerade mit Ruhm bekleckerten und bereits vor dem zweiten Weltkrieg gewalttätige Unruhen eingedämmt und niedergeschlagen haben.


    Das alles geschieht aber erst viel später, denn Raymond, seines Zeichens ein etwas arroganter und äußerst unzufriedener Junger Mann strebt nach Ruhm und Ansehen. Er ist ziemlich verbittert darüber, dass ihm das verwehrt blieb, da der bereits kurz nach Beendigung seiner Ausbildung vorüber war und er somit keine Chance hatte sich an der Front einen Namen zu machen. Allerdings entdeckte er in der Truppe sein Talent fürs Boxen, vielleicht kann ihm das ja noch nützlich sein…

    Zurück in der Heimatbekommt er erstmal mit, wie dreckig es der gemeinen Bevölkerung wirklich geht. Kaum Arbeit, schlechte Bezahlung, nichts zu beißen. Er begleitet seinen Vater zu einem Streik und wie das Schicksal so spielt, im Kampfgetümmel, als die Gendarmerie den Streik niederknüppeln will, kommt es zu einem Unfall und ein Gendarm stirbt durch Raymonds Hand. So bleibt ihm nichts anderes übrig, als seine Eltern und seine Heimat zu verlassen und unter falschem Namen nach Paris zu flüchten, um sein Glück zu machen und seinen eigenen Weg zu Ruhm und Ehre zu finden.


    Eine groß angelegte Geschichte zwischen Abenteuer und Tragödie mit einem nicht ganz sympathischen, aber realistisch angelegten Hauptcharakter, der mit einer aufstrebenden Schauspielerin anbandelt, versucht im Boxring Karriere zu machen, sich in verschiedenste politische Verwicklungen verstricken lässt, schließlich doch noch an Kampfhandlungen teilnehmen muss, die ihm weit weniger ruhmreich vorkommen als erhofft.

    Geschrieben von Jan Bucquoy, der das Comicgenre später für den Film verließ, und gezeichnet von Daniel Hulet in seinem für ihn so typischen Stil. Vor einiger Zeit habe durch den All Verlag ja seinen „Pharao“ entdeckt, der mir recht gut gefiel und später bei Splitter die Gesamtausgabe des düsteren „L’ètat Morbid“, bei welchem Hulet selbst als Autor verantwortlich zeichnete und mir gefühlt tieferen Einblick in sein Seelenleben gewährte. Hier, bei „Wege zum Ruhm“ brechen seine entfesselten Traum- und Wahnbilder nur sehr wohldosiert an einigen wenigen Stellen hervor, was der insgesamt sehr realistisch gehaltenen Optik einen besonderen Drive und eine künstlerische Wucht verleiht. Insgesamt gefällt mir von seinen Arbeiten, die ich bisher kenne, vielleicht dieses hier am besten, denn wenn er wie hier etwas gezügelt wurde, haben seine zwischenzeitlichen Ausbrüche noch mehr Kraft, in meinen Augen zumindest.


    Eine breit angelegte, großartig inszenierte Lebensreise, die in dieser Gesamtausgabe von Finix wunderbar zur Geltung kommt. Vier Alben umfasst das Werk, welches man damit als abgeschlossen ansehen kann, aber eigentlich noch weiter gehen sollte. Die Fortführung bekommen wir auf acht Seiten als eine Art Storyboard in Reintext geboten, was die Veröffentlichung zu einer noch runderen Sache macht als so schon. Weitere Bilder zu Raymond Lécluses Lebensweg waren durch das Ableben von Daniel Hulet leider nicht mehr möglich.

    8/10

    VG, God_W.
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  10. #860
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    Tag drei meiner Kriegswoche…


    Der Wüstenfalke – Gesamtausgabe (Special Edition)



    Mein erster Fliegercomic spielt, wie viele Vertreter dieses Genres, zur Zeit des zweiten Weltkriegs. Die Meinungen, die ich bislang über das Werk gehört habe, waren äußerst gemischt, weshalb ich einerseits besonders gespannt darauf war, und im Gegenzug meine Erwartungshaltung etwas runtergeschraubt hatte. War da doch öfter mal die Rede von maximal durchschnittlichen Zeichnungen und es wurde bemängelt, dass die Deutschen in der Geschichte zu positiv dargestellt werden.

    Erzählt wird vor dem realen Hintergrund des zweiten Weltkriegs, zu Beginn vor allem des Nordafrika-Feldzugs, die turbulente Geschichte des jungen Ali, eines Adoptiv-Jungen aus der lybischen Stadt Derna, der sich nichts sehnlicher wünscht als selbst einmal im Cockpit einer der Maschinen zu sitzen, die regelmäßig über seinen und die Köpfe seiner Freunde rauschen und sich über der Wüste akrobatische Luftkämpfe liefern.


    Um sich darauf vorzubereiten, übt er jede freie Minute im mechanischen Flugsimulator des virtuosen Mechanikers Mahmud, der die deutschen Truppen regelmäßig mit Ersatzteilen und Dienstleistungen versorgt, und für den Ali nebenbei jobbt und Botengänge erledigt. Wie es sich für einen Jungen an der Schwelle zum Mann gehört, ist Ali neben der Luftfahrt auch noch in ein sterbliches Wesen unsterblich verliebt. Die wunderschöne Aisha ist die Prinzessin seines Herzens, doch deren Eltern sind nicht so begeistert von dieser Verbindung, denn Alis Adoptivfamilie ist zwar ehrenwert und liebevoll, jedoch auch recht arm, weshalb die beiden Ihre Verbindung (noch) nicht öffentlich machen können.

    Wie es der Zufall so will, landet Ali wenig später nicht nur in der Kanzel einer von den Deutschen erbeuteten Hurricane, er lernt auch Hans-Joachim Marseille, den „Stern der Wüste“ kennen, und so beginnt das große Abenteuer…


    Genau das ist glaube ich für viele auch ein großer Kritikpunkt an der Reihe, denn Alis abenteuerlicher Weg zu einem erfolgreichen Kampfpiloten, sein Ringen um die Liebe seines Lebens, die Suche nach seiner familiären Herkunft und seinen Ursprüngen und die äußerst unwahrscheinlichen Pfade, die er dabei beschreitet, welche ihn an die vielfältigsten und exotischsten Schauplätze des zweiten Weltkriegs führen, das hat schon etwas sehr Abenteuerliches und wirkt deutlich mehr wie ein Hollywood-Konstrukt, bei dem es eben um große Unterhaltung, große Gefühle und bildgewaltige, atemberaubende Action geht, die tragischen, erschreckenden und furchtbaren Aspekte des Krieges im Grunde aber wenig bis nahezu gar nicht thematisiert werden.

    Ich denke das war auch gar nicht die Intension von Autor und Zeichner Franz Zumstein. Für mich fühlt es sich so an, als hegt der Mann eine tiefempfundene Leidenschaft für Flugzeuge, vor allem aus dieser Zeit, und so findet er stets neue Mittel und Wege möglichst viele verschiedene Modelle aus der Luftfahrt-Historie in seine Erzählung einzubauen und diese maximal wirkungsvoll in Szene zu setzen. Drumherum hat er eine abwechslungsreiche Geschichte voller Action, Abenteuer und zumeist sympathischen Charakteren gestrickt, die sich zu keinem Zeitpunkt realistisch anfühlt, aber prima zu unterhalten weiß. Action, Drama, Herzschmerz, Halunken, Bösewichte und lustige Käuze, alles gut verquirlt und nur am Rande der ein oder andere tragische Moment, der in Erinnerung ruft, dass Krieg kein großes Abenteuer, sondern etwas Furchtbares ist. In diesem Sinne also näher an Indiana Jones, denn an Oskar Schindler, um mit Spielberg bei einem der Größten Hollywoods zu bleiben.


    Das Artwork hat mir insgesamt gesehen wirklich ausgesprochen gut gefallen, teilweise sogar großartig! Herausragend immer dann, wenn Flugzeuge oder andere Maschinen wie Autos, Schiffe usw. im Einsatz präsentiert werden, bei Personen und vor allem Gesichtern etwas weniger beeindruckend, aber immer weit entfernt von schlecht. Für Freunde der klaren Linie vielleicht nicht ganz das Richtige, aber meinen Geschmack trifft Herr Zumstein hier absolut. Die Gesamtausgabe ist nicht auf dem dicksten, aber doch auf gutem Papier mit mittlerem Glanz gedruckt, enthält alle fünf Cover der Einzelalben ohne störende Schrift und in der auf 140 Stück limitierten Special Edition auch noch einen Schutzumschlag mit anderem Cover, ein Interview mit Franz Zumstein sowie einen nummerierten und vom Künstler signierten Kunstdruck (siehe oben neben dem Cover). Letzteren hätte ich mir auf kräftigerem Papier oder Karton gewünscht, das ist leider nur ein „normales“ Blatt. Zusammengefasst ein toller Comic, der super aussieht, mich prima unterhalten hat und mit guter Ausstattung daherkommt, man sollte halt nur keine tiefschürfende Auseinandersetzung mit dem Thema Krieg erwarten.

    8-8,5/10

    VG, God_W.


    PS: Der nächste Fliegercomic folgt übermorgen, und der ist tonal etwas anders gelagert, morgen schauen wir uns die Kriegsthematik erstmal aus Sicht eines Mangaka an.
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    Auf in den Heldentod!



    Der im November 2015 verstorbene Mangaka Shigeru Mizuki war wohl am bekanntesten für seine Reihe „Kitaro“ und die darin auftretenden Yokai, also Geisterwesen der japanischen Mythologie. Etwas persönlicher waren aber vermutlich seine Werke über seinen eigenen Werdegang und den zweiten Weltkrieg, den er am eigenen Leib miterleben musste, immerhin kam der Meister nur noch einarmig aus seinem Einsatz im Pazifikkrieg zurück, was ihn nicht davon abhielt zu einem großartigen, in seiner Heimat gefeierten Künstler und Geschichtenerzähler zu avancieren.

    Die furchtbaren und sicherlich traumatisierenden Erlebnisse während seiner Zeit im Einsatz und das von den Vorgesetzten an den Tag gelegte, teils sadistische, teils von absurden Vorstellungen ehrenvollen Verhaltens geprägte Verhalten steht im Zentrum des Manga „Auf in den Heldentod!“.


    Für Mizuki typisch verbindet der Künstler hier wieder cartoonige, an Karikaturen grenzende Figuren mit nahezu fotorealistischen Hintergründen. Das Elend der Männer an der Front, geprägt von Hunger, Malaria, körperlicher und seelischer Grausamkeit wird mit dem Mizuki eigenen schwarzen und teils überspitzen Humor aufgelockert, was im Kontrast den Horror des Krieges nur umso erschreckender wirken lässt. So unsäglich die Situation der Truppen sowieso schon ist, im Kampfeinsatz, unter dem Druck der gegnerischen Angriffe und der auszustehenden Todesangst wird es nur noch schlimmer, gerade wenn das Ziel und die Befehle so sinnlos erscheinen wie hier.

    An der ein oder anderen Stelle hat sich der Autor erzählerische Freiheiten genommen und natürlich ist das geschilderte Geschehen alles andere als objektiv, denn Shigeru Mizuki war schließlich selbst beteiligt, mittendrin und stand unter dem gleichen psychischen Druck wie seine Kameraden. Wir erleben den Krieg hier also aus der vollkommen subjektiven Sicht eines direkt Betroffenen und vielleicht sind das die einzigen Personen, denen es gelingen kann das Wesen des Krieges nachvollziehbar zu vermitteln, in der ganzen nackten Sinnlosigkeit und Grausamkeit.


    Mit fünfseitiger Einführung (die ein wenig spoilert, also ggf. erst hinterher lesen), vierseitigem Nachwort und dem etwas größeren Format, wie es auch die Taniguchis von Schreiber und Leser oder die „Ultimativen Editionen“ von Panini aufweisen, eine tolle Veröffentlichung eines wichtigen Werkes. Dafür Danke Reprodukt!

    8,5-9/10

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  12. #862
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    Himmel in Trümmern – Gesamtausgabe



    Ich muss sagen, mit dem von Philippe Pinard geschriebenen und Olivier Dauger gezeichneten Titel hatte ich so meine Problemchen. Im Zentrum der Story steht der aufstrebende Wehrmachts-Pilot Nikolaus Wedekind, der seinem Bruder nacheifern möchte, welcher sich zu einem wahren Helden der Lüfte gemausert hat. Für ihn gilt es dabei allerdings nur die Lieber zur Fliegerei und das für den Luftkampf entbrannte Herz zu befriedigen, den angestrebten Zielen des Deutschen Reiches steht er allenfalls skeptisch gegenüber und ist sich durchaus der Tatsache bewusst, dass Frontsoldaten und Piloten von der Obrigkeit eher als Verschleißgut angesehen werden, denn als menschliche Wesen.


    Viele historische Personen und Persönlichkeiten kommen in der Geschichte vor und werden in aufschlussreichen Fußnoten auch immer nochmal gut erklärt. Dass ausgerechnet Sophie Scholl eine Schwester unseres Protagonisten sein soll war mir dann aber doch arg an den Haaren herbeigezogen. Ihre Inhaftierung nach dem Tod von Philippes Bruder, dem Piloten, dient dem Autoren allerdings als Aufhänger für ein recht spezielles, einzigartiges Storyelement. Den Hund Fisto, der mit unserem Helden reden kann, sich schließlich als Mephisto, also der Teufel selbst, oder zumindest ein hoher Diener des Beelzebub entpuppt und – wie soll es anders sein – einen gar teuflischen Pakt vorschlägt...

    An sich ist dieses übernatürliche Element ja ganz spannend und passt auch hervorragend zu der ein oder anderen Szene, wie zum Beispiel einer von Gefahr und Anspannung geladenen, fiebrigen Nacht, ganz in einem roten Raum spielend. Diese Passage erinnert nach ihrer Atmosphäre und Intensität an die Durchwanderung eines von Dantes Höllenkreisen. Dennoch liest sich das Ganze insgesamt teilweise recht schwerfällig und sperrig, wie ich finde. Zu häufig sind die Sprünge zwischen diesen außerweltlichen Passagen, dem tatsächlichen Kriegsgeschehen mit dramatischen oder actionreichen Passagen und dem Fortgang der eigentlichen Story am Boden. Hinzu kommen immer mal wieder Ausschweifungen über technische Details der Flugzeuge, denn auch hier werden möglichst viele Typen eingebracht und genauer beleuchtet, was vermutlich die Zielgruppe, nämlich Fans von Fliegercomics, außerordentlich begeistert, aber selbst mich als technisch interessierten Menschen mit technischem Beruf regelmäßig aus der Story reißt.


    Die einen werden dem Werk vermutlich enorme Tiefe und Vielschichtigkeit bescheinigen, für mich wirkt es leider eher so, als hätte man nicht so recht gewusst, auf was man sich fokussieren soll. Die Auseinandersetzung mit dem zweiten Weltkrieg an sich ist auf alle Fälle deutlich differenzierter und tiefgreifender gelungen als zum Beispiel bei „Der Wüstenfalke“, das gebe ich gerne zu, dennoch war es manchmal echt anstrengend zu lesen, was nicht an der Textlastigkeit lag, denn das stört mich in der Regel nicht.

    Das Artwork trifft leider auch nicht meinen Geschmack. Ich mag Ligne Claire ab und an sehr gerne, bin zum Beispiel ein großer Freund des klassischen Alix von Jacques Martin, allerdings funktioniert das im vorliegenden Fall nur bei den Maschinen richtig gut für mich. Die Landschaften gehen auch noch klar, aber die Personen, vor allem die Gesichter, brachten mich regelmäßig raus, weil auch halb kahlköpfige, altgediente Offiziere i Gesichtszüge wie Jungs vor sich hertragen, die gerade dem Teenageralter entwachsen sind. Sorry, hat für mich eben so gewirkt, ist wohl einfach nicht mein Geschmack.


    Hervorragende Arbeit und tolles Preis-Leistungs-Verhältnis kann ich aber dem All-Verlag mal wieder bescheinigen. Ganze fünf Alben, alle Cover, interessantes Bonusmaterial, toller Druck und das alles in Albengröße zwischen Hardcover-Deckeln für unter 40€. Großes Kino und somit für all jene, die meine Kritikpunkte nicht nachvollziehen können ein absoluter Pflichtkauf.

    6/10

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  13. #863
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    Hitler (Shigeru Mizuki)



    Der vorletzte Beitrag zu meiner Kriegswoche wurde wieder von Mangaka Shigeru Mizuki verfasst und beschäftigt sich mit einer einzigen Person – Adolf Hitler. Es handelt sich hierbei um den Versuch an einer Biografie über einen der bekanntesten und den vermutlich grausamsten Diktator aller Zeiten angefangen bei seiner Zeit als Kunststudent in Wien, bis zu seinem Selbstmord im Führerbunker in Berlin.


    Das Resultat ist ein enorm eindringliches, hochspannendes Werk, welches mir doch ordentlich an die Nieren ging. Ich meine ich hatte schon einmal erwähnt, dass das Thema Zweiter Weltkrieg in meiner Schulzeit beim Geschichtsunterricht durch lange Krankheit des Lehrers nahezu weggefallen ist. So bestand unser Unterricht zu dem Thema einzig in einer Vorführung des Films „Schindlers Liste“ und einer Diskussionsrunde dazu. Was ich über die Zeit des Nationalsozialismus und wie es dazu kam weiß, erfuhr ich also im Nachgang, häufig durch Filme, welche mich dann zu ein wenig Recherche und der ein oder anderen Lektüre inspirierten. In den letzten Jahren kamen dann noch Besuche von Originalschauplätzen und Museen dazu.


    Mit der Person Hitlers selbst hatte ich mich noch nicht in dem Detail beschäftigt, wie es Shigeru Mizuki hier tat. Man sollte sich allerdings der Sache bewusst sein, dass das Buch einige Ungenauigkeiten und, wie man heutzutage weiß, auch schlicht falsche Informationen enthält. Das lag nicht an bösem Willen des Autors/Zeichners, sondern schlicht an der Tatsache, dass sich Recherchen zur Entstehungszeit des Manga deutlich schwieriger gestalteten als heutzutage. Internet gab es nicht, auch groß angelegte Filmdokumentationen waren nicht verfügbar, weshalb sich Meister Mizuki auf die Literatur, die er auftreiben konnte, verlassen musste. Nicht nur waren dort die heutigen historischen Forschungsergebnisse noch nicht enthalten, auch die ein oder andere Fälschung und Falschaussagen hatten es in Bücher geschafft.


    Zum Glück hat sich Reprodukt hier wieder um eine tolle Veröffentlichung bemüht, was bedeutet, dass einige im Text befindliche historische Fehler korrigiert wurden und auf andere Unzulänglichkeiten der Geschichte im Vorwort und editorischer Notiz hingewiesen werden. Eine gesamtheitliche, wissenschaftliche Aufarbeitung von Hitlers Leben haben wir hier sicher nicht, aber dennoch ein großartiges Werk, welches den Werdegang dieses Mannes und so einige komplexe Zusammenhänge im politischen Werdegang packend darstellt, und ob der ein oder anderen fast schon absurd erscheinenden Entwicklung, die schließlich zum größten Massenmord in der Geschichte geführt hat, wahrlich zu erschrecken weiß.

    9/10

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  14. #864
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    Ernie Pike (Pratt & Oesterheld Gesamtausgabe)



    Den Abschluss meiner einwöchigen Exkursion in Comics mit Kriegsthematik macht ein weiterer großer Klassiker. Erneut handelt es sich um eine Sammlung von Kurzgeschichten, was den Rahmen sehr gut schließt, habe ich meine Strecke mit „Blazing Combat“ doch auch mit solchen Shorties begonnen.

    Noch lange bevor Hugo Pratt mit seinem Corto Maltese Weltruhm erlangte und etwa zeitgleich als Hector German Oesterheld mit dem Eternauten DAS Werk der Neunten Kunst vorlegte, welches wie kein anderes die Geschichte Argentiniens unter der Militärknute der Junta in einem in die Science-Fiction entrückten Kontext, nahezu prophetisch voraussieht, hatten die beiden späteren Größen der Comicbranche eine äußerst fruchtbare Zeit der Zusammenarbeit. Bei „Ticonderoga“, der noch auf meinem Lese-K2 auf Sichtung wartet, aber eben auch mit „Ernie Pike“, um den es heute gehen soll.


    Ernie Pike ist nicht etwa die Hauptperson in den hier erzählten Geschichten, nein, es handelt sich um einen Kriegsberichterstatter, der stets am Puls der Zeit und vor allem aus dem Herzen des Geschehens heraus berichtet. Er fungiert also als Erzähler, der uns die Gräuel und Dramen, die sich im Krieg abspielen näherbringt. Teils berichtet er uns aus erster Hand, aber auch Berichte, die er von verwundeten Soldaten bei Lazarettbesuchen erfahren hat, bringt er uns näher.

    Die Figur des Ernie Pike ist der realen historischen Persönlichkeit, dem Pulitzerpreisträger Ernie Pyle nachempfunden, zumindest was den mutigen Einsatz für klare, ehrliche und ungeschönte Berichterstattung von den gefährlichsten Kriegsschauplätzen angeht. Rein optisch haben wir hier niemand anderes als den Autor Hector Germán Oesterheld vor uns, den sich Hugo Pratt als Vorbild für seinen Erzähler nahm. So haben wir den Mann mit der tragischen Lebensgeschichte fast ständig bildlich vor Augen, während er in seiner ihm eigenen, entwaffnend ehrlichen und äußerst eindringlichen Art ein Sammelsurium mal mutiger, mal trauriger, oft unfairer und immer furchtbarer Vorgänge während des Krieges wie einen Film vor uns abspult.


    Da gibt es nur ganz selten Schwarz-Weiss-Malerei, da wird ausgelotet und differenziert berichtet. Da gibt es Graustufen zwischen gut und böse, richtig und falsch. Zum größten Teil emotional äußerst packend werden sowohl erfundene Geschichten erzählt, aber auch solche, die auf wahren Begebenheiten beruhen, wie die der britischen Laconia und des deutschen U156. Einzig die lange Fortsetzungsgeschichte über „Lord Crack“ mutet ein wenig wie ein heldenhaftes Abenteuer an, erinnert sogar ein klein wenig an den schmächtigen Steve Rogers, bevor er zu Captain America wurde. Im Gegenzug ist bei der ein oder anderen Erzählung aber auch schon Pratt‘scher Einfluss zu verspüren, wenn hier und da lyrische Wehmut durchblitzt, wie sie später bei Corto geradezu von den Seiten weht.


    Hugo Pratt weiß dabei mit einem Fleiß und einer Detailverliebtheit zu glänzen, die er später beim Finale der Wüstenskorpione nicht mehr an den Tag legte. Die einen sagen er hatte es darin zur Meisterschaft gebracht mit wenigen Strichen den Fokus auf bestimmte Dinge zu legen und besondere Emotionen und Stimmungen zu vermitteln. Das mag teilweise stimmen, dennoch habe ich das Gefühl, dass er später raus auch deutlich fauler und ein wenig schlampiger wurde. Aber hey, das bedeutet nicht, dass ich seinen Stil und, bei seinen eigenen Geschichten, seinen Erzählstil nicht toll finden würde. Ist eben mein Eindruck. Hier war das aber sicherlich noch nicht der Fall und gepaart mit der erzählerischen Kraft und der mal wieder hervorragenden Optik, Haptik und dem hochinteressanten redaktionellen Teil, den das Prachtstück von Avant vorzuweisen hat, haben wir hier ein Gesamtpaket, welches nahe am Meisterwerk kratzt. Nur einige wenige, lediglich „sehr gute“ Geschichten halten mich davon ab die Höchstnote zu zücken.

    9,5/10

    VG, God_W.



    PS: Das war er also, mein einwöchiger Ausflug ins Genre der Kriegscomics. Erneut ein intensives Erlebnis mit vielen lohnenswerten Veröffentlichungen. Gerade der Einstieg, der Abschluss und die beiden Manga von Shigeru Mizuki haben tiefgreifenden Eindruck gemacht. Den Wüstenfalken und Wege zum Ruhm kann man da schon eher als „leichtere Kost“ betrachten, denn das Kriegsgeschehen wird dort nicht so drastisch in den Fokus gesetzt, Himmel in Trümmern lief leider ein wenig an meinem Geschmack vorbei. Insgesamt darf ich aber behaupten, dass mich dieses Jahr kein Werk dermaßen packen und lange beschäftigen konnte, wie im vergangenen Jahr die beiden Meisterwerke Maus und Die Bombe. Wer sich auch nur ein wenig mit dem zweiten Weltkrieg beschäftigen möchte kommt an diesen beiden überragenden Erzählungen nicht vorbei (oder sollte das zumindest nicht).
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  15. #865
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    Bone 2 – Das große Kuhrennen



    Nach einer Woche größtenteils sehr ernster Kost aus dem Kriegs-Genre stand mir der Sinn nach leichterer und fröhlicherer Lektüre. Da fand ich mich suchend vor dem Regal, als mir plötzlich „Bone“ entgegensprang. Zum Jahreswechsel 2020/21 hatte ich den ersten Band, ein Wichtelgeschenk, gelesen und direkt beschlossen, dass ich mir auch die übrigen Bände kaufen muss. Einige Zeit später hatte ich das auch getan, doch seitdem fristet die Box ein Dasein auf meinem Lese-K2, das soll sich nun ändern. Natürlich habe ich mir nach so langer Zeit erst nochmal Band 1 vorgeknöpft, aber im Anschluss ging es direkt mit dem zweiten Hardcover weiter.


    Fone, Smile und Phoney Bone sind endlich wieder vereint und das große Kuhrennen steht an! Dabei will Grandma Ben wie immer den Sieg einfahren, doch Phoney wittert ein riesen Geschäft und verdingt sich als (nicht ganz ehrlicher) Buchmacher. Derweil wollen die Rattenmonster Phoney für ihren vermummten Anführer entführen, Thorn hat seltsame Träume und sowohl Granny als auch der alte Wirt aus Barrelhaven wissen mehr über Drachen und Thorns Vergangenheit, als sie zugeben wollen.


    Massenweise zum Kugeln witzige Momente und knuffige Zeichnungen täuschen nicht darüber hinweg, dass sich ebenso eine mysteriöse und spannende Geschichte weiterentwickelt, während der ein oder andere Nebenplot für reichlich Spaß sorgt. Nicht ganz so erfrischend neu wie der Erstling und vielleicht minimal weniger witzig, dafür aber spannender und rätselhafter. Teil drei wird in Kürze weggesuchtet werden!

    8,5-9/10

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  16. #866
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    Die Haie von Lagos – Gesamtausgabe 1



    Die Haie von Lagos scheint ja ein ganz schön beliebter Klassiker zu sein und Matthias Schultheiss, den ich bis dato noch nicht kannte, gehört wohl zu den typischen „Propheten im eigenen Land“, war er in Frankreich doch ungleich früher bekannt und erfolgreich, denn in seiner norddeutschen Heimat. Mittlerweile wurde der aus den 80ern stammende erste Zyklus in drei Alben nicht nur durch einen zweiten, ebenfalls dreibändigen Zyklus ergänzt, erschienen 2014-2020, sondern Splitter hat auch die Gesamtausgabe neu aufgelegt. Der erste Zyklus hat also eine weitere Auflage erfahren, diesmal mit neuem Cover, wobei sich Käufer der Erstausgabe nicht über geschmälerten Sammlerwert ärgern müssen, denn da fand ich das Cover deutlich hübscher als bei der Neuauflage, die ich besitze, und im Anschluss gab es dann den neuen, zweiten Zyklus zum ersten mal als Gesamtausgabe, welche die drei aktuelleren Alben vereint. Da unsere Urlaubspläne uns dieses Jahr mal wieder nach Afrika führen, wenn auch nicht nach Nigeria, hatte ich zur Einstimmung doch Lust mal wieder Comics mit Geschichten vom sogenannten „Schwarzen Kontinent“ zu lesen, also los.


    1985 in Lagos, einem von Korruption und Piraterie heimgesuchten Land im Westen Afrikas. Ein Weißer mit steiler Frisur treibt sich in den Bordellen der ärmeren Küstengegenden herum und behandelt die Prostituierten wie den letzten Dreck. Sein Name ist Lambert und irgendwie fühlt er sich nicht gut, ist in der Birne nicht ganz klar, doch bevor er sich über Weiteres klar werden kann wird er von einem Trupp Einheimischer entführt. Die Jungs wollen Informationen, die Lambert augenscheinlich nicht hat, doch das scheint niemand zu glauben, was zu sadistischen Foltermethoden führt. Gezwungen bei einer Vergewaltigung zuzusehen wird im Anschluss Lamberts erregiertes Gemächt, was ja auch schon Einiges über den Typen aussagt, und das zugehörige Skrotum mit dem Schlagstock malträtiert.


    Schon auf diesen ersten Seiten wird eines glasklar, zartbesaitete Gemüter haben in „Lagos“ nichts verloren, sondern werden umgehend den Haien zum Fraß vorgeworfen. Autor und Zeichner Schultheiss bringt in starken, teils archaischen Bildern schonungslos auch die unangenehmsten Details auf die Seiten, lotet menschliche Abgründe aus und treibt seine Story um Patrick Lambert gnadenlos voran, denn dem gelingt es, entgegen aller Wahrscheinlichkeit, seinen Häschern zu entkommen und arbeitet fortan mit brutalster Konsequenz daran der Anführer der erbarmungslosen Piratentruppe von Lagos zu werden und dabei die korrupte Polizei auszustechen. Von historisch verklärter Seeräuber-Romantik keine Spur, hier geht es ungeschönt und richtig heftig zur Sache, der Hauptcharakter ist ein mehr und mehr psychotischer, unsympathischer Soziopath und allgemein ist nahezu die ganze Welt an der Küste Nigerias verbrecherisch, korrupt und Respekt vor menschlichem Leben ist nicht vorhanden.


    Wie gesagt ist das Artwork schon markant und speziell, aber insgesamt äußerst gelungen! Teilweise werden geradezu wunderschöne Gemälde geboten, dann wieder düstere Straßenecken oder detaillierte Gewaltausbrüche. Umgebung, Wasser, Schiffe, vor allem auch Farbgebung bei unterschiedlichen Lichtverhältnissen ist wunderbar, Personen und Gesichter dafür eher minimalistisch, manchmal fast schon breiig. Auf alle Fälle wird optisch Einiges geboten und für alle, die mit schonungslosen Geschichten ohne jedweden Humor oder Wohlfühlfaktor klarkommen, liegt dieser Dreiteiler schon nahe am Meisterwerk und bekommt von mir eine klare Leseempfehlung. Als Schmankerl legt Splitter noch einen schicken Kunstdruck mit dem Cover der ersten Gesamtausgabe bei.


    9/10

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  17. #867
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    Berserk – Ultimative Edition 4



    Zu Beginn von Band vier sind Kjaskar und Guts noch vom Rest der Truppe getrennt, was zu einer spannenden Entwicklung zwischen den Beiden führt und vor allem Kjaskar charakterlich deutlich weiterbringt. Eine gemeinsame Bedrohung bringt nicht nur einen alten Feind zurück auf den Plan, sondern lässt die Sache auch ganz schön brenzlig werden, was bekanntlich zum Zusammenschweißen der größten Streithähne führen kann.


    Im weiteren verlauf stehen für die Truppe rund um Griffith und Guts mit der „Schlacht um Dordrey“ Belagerungen und Auseinandersetzungen, die man nicht anders als episch bezeichnen kann, auf dem Programm. Wahnsinn was Kentaro Miura hier an packendem, brutalem, aber auch geschickt choreografiertem Schlachtengetümmel abfeuert, bevor er die höfischen Intrigen auf die Spitze treibt und zu tödlichen Höhepunkten führt, während Griffith seine Pläne weiter vorantreibt und versucht den Spieß umzudrehen und gegen seine heimlichen Gegner zu führen.


    Eine nahezu perfekte Kombi zwischen Charakterbindung, fulminanter Action und spannendem Storyfortgang. Ja, ich glaube jetzt bin ich vollends in Meister Miuras Opus Magnum angekommen. Ein wahnsinniger Pageturner, optisch voll auf der Höhe, der danach schreit in Kürze durch Band fünf fortgeführt zu werden.

    9-9,5/10

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    Geändert von God_W. (16.03.2023 um 17:13 Uhr)
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  18. #868
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    Corto Maltese 6 – In Sibirien



    Durch die großartige “Ernie Pike“ Gesamtausgabe kürzlich, habe ich mal wieder richtig Lust auf Hugo Pratt bekommen, also kurzerhand den nächsten „Corto“ aus dem Regal gezogen, da habe ich ja noch einen Vorrat im Petto.

    Corto Maltese sitzt an einem magischen Ort in Venedig, schwelgt, schmaucht, schmökert und genießt das Leben. Vielleicht beginnt die Reise aber auch in Hongkong, wo er erneut auf Rasputin trifft und der Geheimbundbund der Roten Laternen ihn rekrutieren möchte, um im von kriegerischen Auseinandersetzungen gebeutelten Sibirien einen fast schon als sagenumwoben zu bezeichnenden gepanzerten Zug, bis unters Dach beladen mit Gold, zu überfallen.


    So macht sich Corto, seltsamerweise zusammen mit Rasputin auf Richtung Sibirien und Mongolei, um Admiral Koltschak das russische Zarengold zu entreißen. Allerdings ist Corto nicht der Einzige, den das Gold lockt, denn auch chinesische Kriegsherren, Kriegsherren aus der Mandschurei, verschiedene Geheimbünde und die alliierten Kräfte in Sibirien sind auf den Schatz aus, um ihre eigenen Interessen zu finanzieren. Das absolute Chaos ist also vorprogrammiert.

    Ein herrliches, groß angelegtes Abenteuer mit vielen ruhigen, wehmütigen und fast schon träumerischen Momenten, wie sie für Pratt so typisch sind, aber auch die Action kommt nicht zu kurz. Reihenweise skurrile Charaktere, allen voran der Baron Roman Feodorowitsch von Ungern-Sternberg, eine von Mythen umrankte, laut Pratt verrückte Persönlichkeit der Geschichte, über welche wir im ausführlichen Vorwort schon so Einiges erfahren.


    Auch optisch bin ich äußerst zufrieden! Pratts Kunst funktioniert hier perfekt, vermittelt immer die passende Stimmung, wobei besonders die Panels hervorzuheben sind, in denen er mit Silhouetten arbeitet, und kommt im exakt passenden Detailgrad daher. Die Zeichnungen von Fahrzeugen und Maschinen (allen voran die Züge) wurden wohl, wie auch bei den Wüstenskorpionen, von einem Assistenten oder Partner übernommen. Gute Entscheidung! Wieder mal ein Hochgenuss von einem Pratt, bei dem jeder selbst entscheiden darf, was am Ende an der Geschichte dran ist, was Wahrheit, was Fiktion, oder sitzen wir etwa noch immer mit Corto in einem magischen Hinterhof und sind über einer träumerischen Lektüre eingenickt?

    9-9,5/10

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  19. #869
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    Bone 3 – Im Auge des Orkans



    Phoney, und damit auch Smiley Bone, haben sich mit dem Kuhrennen ja ordentlich in die Nesseln gesetzt. Jetzt galt es natürlich zuerst das Heim von Grandma Ben wieder auf Vordermann zu bringen, doch als das erledigt ist sind da ja noch die horrenden Wettschulden bei Lucius! Diese sollen Phoney und Smiley ab jetzt in der Barrelhaven Taverne abarbeiten, weshalb sie sich zusammen mit Lucius auf den Weg dorthin machen, welcher sich allerdings als außerordentlich gefährlich entpuppt. Nicht nur, dass die Rattenmonster schon auf die Truppe lauern, wie der Titel des Bandes schon erahnen lässt ist auch ein Sturm im Anzug…


    Auch bei Fone Bone, Thorn und Grandma Ben geht es heiß her, denn unser kleiner Held und die hübsche Thorn haben recht außergewöhnliche Träume (in welchen Fones und mein Lieblingsbuch erfreulich direkt zum Tragen kommt ), über die es sich zu unterhalten gilt, und Oma Ben offenbart schließlich lange gehütete Geheimnisse über Thorns Vergangenheit, die für die junge Dame mehr als nur überraschend daherkommen. Das für zu ganz schönem Unmut in der Truppe, und das inmitten eines Orkans.


    Spannende Entwicklungen gibt es auch auf Seiten der Bösewichte, was zusammen mit den Vorgängen im Sturm zu einem hochspannenden und düsteren Bone-Band führt, der etwas weniger fröhlich daherkommt, aber dafür im Gegenzug enorm zu fesseln weiß. Richtig witzige Momente gibt es zumeist nur, wenn der knuffige Bone versucht seine romantischen Gefühle für Thorn, in die er sich sichtlich unsterblich verliebt hat, in Worte zu fassen, oder wenn er ob eines Nebenbuhlers seinen Eifersuchtsattacken nachgibt und, wie so viele Verliebte auf der Welt, die dümmsten Sachen anstellt. Wunderbarer Band!

    9/10

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  20. #870
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    Conan der Cimmerier: Die Stunde des Drachen



    Conan ist nicht länger Söldner, Pirat oder Soldat, nein, der Barbar hat sich zum König von Aquilonien aufgeschwungen. Sein Volk und seine Krieger verehren ihn. Seine Feinde fürchten ihn. Die sich bedroht fühlenden Herrscher der umliegenden Königreiche und der Mann, der sich als rechtmäßiger König von Aquilonien sieht, schließen sich also vor der alles entscheidenden Schlacht zu einem dunklen, geheimen Bündnis zusammen. Es ist ihnen gelungen das Herz Ahrimans in ihren Besitz zu bringen, was sie dazu befähigte Xaltotun, einen überaus mächtigen, dunklen Priester ins Leben zurückzuholen. Dessen besondere Fähigkeiten setzen sie dazu ein, Conan vor der finalen Auseinandersetzung kalt zu stellen, sein Heer aufzureiben und den König gefangen zu nehmen und im finstersten Verließ wegzusperren. Die Überreste seiner Truppen halten den König für tot und ergeben sich in ihr Schicksal. Alles scheint verloren, doch wer denkt, dass sich Conan ebenso in sein Schicksal ergibt, der kennt den Cimmerier schlecht…


    Die Stunde des Drachen ist die einzige Conan-Erzählung in Romanlänge und mit diesen einleitenden Ereignissen wird lediglich ein viel größeres, in mehrere Etappen gegliedertes Abenteuer eingeläutet, welches in Struktur und Vielfalt reichlich Versatzstücke gleich mehrerer Abenteuer aus den nemedischen Chroniken in sich vereint. Die Anzahl der Charaktere ist ungleich höher, als bei normalen Conan-Stories üblich, die Schauplätze ebenso, was wirklich zu einem tollen Gefühl eines breit angelegten Abenteuers führt.

    Valentin Sécher gießt dieses großartige Abenteuer in mindestens ebenso großartige Bilder. Absolut beeindruckendes Artwork voller Augenöffner und Hingucker, was hier auf die Seiten gebracht wird. Das man Julien Blondel für die Adaption der Story mehr Seiten zubilligte als in einem normalen Album, immerhin haben wir hier (inklusive Bonusmaterial) 88 Seiten versammelt. Dennoch ist das viel zu kurz, was zu einem sprunghaften Erzählstil ohne Tiefe und mit mangelndem Zugang zu einzelnen Personen und Passagen. Ich habe auch das Gefühl, dass hier zu viel gekürzt und weggelassen wurde. An Einzelheiten kann ich das zwar nicht festmachen, denn es ist schon eine weile her, dass ich das Buch gelesen habe und zusätzlich habe ich damals die Marvel-Adaption von Roy Thomas gelesen, die mehrere hundert Seiten umfasste, äußerst gelungen war, aber ebenfalls einige kleine Änderungen zur Vorlage aufwies. Die beiden Varianten verschwimmen also ein wenig in meiner Erinnerung.


    Nicht falsch verstehen, ich habe mich hier sehr gut unterhalten gefühlt und die Bilder sehen einfach beeindruckend und grandios aus, aber ich glaube, wenn ich die zugrundeliegende Story nicht kennen würde, wodurch ich so manche Lücken schließen und den ein oder anderen Übergang abrunden konnte, wäre mir der Band enorm holprig vorgekommen. Empfehlung kann ich also nur bedingt aussprechen. Tolle Visualisierung für Freunde und Fans der Vorlage, erzählerisch aber für Erstentdecker eher ungeeignet, die könnten dann auch ganz schnell bei einer 4/10 landen.

    6,5-7/10

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  21. #871
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    Mal eine Zwischenfrage, die nix mit Comics zu tun hat: Irgendwer hier, der kommendes Wochenende in Nürnberg bei The Village bzw. Pueblo del Ron anzutreffen ist? (Whisky & Rum-Messe)
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  22. #872
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    Zitat Zitat von God_W. Beitrag anzeigen
    Mal eine Zwischenfrage, die nix mit Comics zu tun hat: ...
    Das kann man doch so nicht sagen! Ich kenne einige Comics, in denen Whisky und/oder Rum getrunken wird.
    Und nein, nach Nürnberg werde ich am kommenden Wochenende nicht fahren.

  23. #873
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    Zitat Zitat von Gagel Beitrag anzeigen
    Das kann man doch so nicht sagen! Ich kenne einige Comics, in denen Whisky und/oder Rum getrunken wird.
    ...
    Ist klar. Du verstehst aber, was ich meine.
    Zitat Zitat von Gagel Beitrag anzeigen
    ...nein, nach Nürnberg werde ich am kommenden Wochenende nicht fahren.
    Ich auch nicht, ich WERDE gefahren und auch wieder nach Hause gebracht.
    Über Besuch, Meinungen, Diskussionen etc... freue ich mich immer sehr!

  24. #874
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    Na dann: Slàinte!

  25. #875
    Mitglied Avatar von God_W.
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    Burma – Malet & Tardi (Gesamtausgabe)



    Mit den ersten sechs Abenteuern von Adele Blanc-Sec konnte mich Jacques Tardi von seiner Kunst überzeugen und, da ich Detektivgeschichten außerordentlich gerne mag, und viele Freunde der Neunten Kunst voll des Lobes für die Stories rund um Nestor Burma sind, schnappte ich mir diesen Sammelband mit vier Geschichten, in denen der von Léo Malet erdachte Romanheld seine Spürnase durch die Straßen und Vororte von Paris bewegt, um die verzwicktesten Fälle zu lösen, alles in Szene gesetzt von Tardi, der mir schon bei Adele bewies, wie gekonnt er die französische Hauptstadt in Szene zu setzen weiß. Diese Gesamtausgabe enthält alle vier Fälle des berühmten Detektivs, die Tardi adaptierte bzw. erdachte.


    120 Rue de la Gare
    Im September 1940 kommen im Kriegsgefangenenlager Stalag XB neue Insassen an. Einer von ihnen hat nicht nur einen irren Blick, er leidet anscheinend auch unter Gedächtnisverlust und wird von einem gleichzeitig eingelieferten Kameraden als verrückt bezeichnet. Die Daten dieser Neulinge muss ein schon länger Einsitzender aufnehmen, ein gewisser Nestor Burma, seines Zeichens vor dem Krieg ein recht bekannter Privatdetektiv in den Straßen von Paris. Irgendwas an dem seltsamen Neuling weckt sein Interesse. Im November 1941 ist es schließlich so weit, dass der „La Globule“ genannte Unbekannte tut seinen letzten Atemzug, jedoch nicht ohne Burma zuvor mit letzter Kraft einen Namen und Adresse zuzuflüstern. Der Name ist Hélène, die Adresse lautet 120 Rue de La Gare. Nach der Befreiung macht sich Burma mit dem Zug auf Richtung Heimat, zu seiner Überraschung trifft er unterwegs am Bahnhof Lyon einen ehemaligen Mitarbeiter. Die Wiedersehensfreude währt allerdings nur kurz, denn vor Nestors Augen werden seinem Angestellten mehrere Kugeln in den Rücken gejagt. Noch während des Sturzes stößt er hervor „120 Rue de la Gare!“ und stirbt.


    So beginnt das Rätsel und die Ermittlungen in einem äußerst verzwickten Fall. Nestor Burma ist ein hochkonzentriert arbeitender, kluger Ermittler mit trockenem Humor, der dennoch auf so manche falsche Fährte gerät. Die schiere Masse an Personen kann eingangs etwas schwierig werden, es wird aber zu keinem Zeitpunkt so wild und durcheinander wie beispielsweise bei Tardis Adele, man bekommt das mit der Zeit schon auf die Reihe, ist dann gepackt von der Geschichte, der glücklicherweise mit über 180 Seiten genug Zeit eingeräumt wurde, und stellenweise auch am Miträtseln. Auf die Lösung kam ich freilich nicht, aber wie sich am Ende nach all den Wendungen und Wirrungen doch alles schlüssig zusammenfügt und Nestor die Lösung des Falles während eines famos inszenierten „Poirot-Moments“ ausbreitet, das ist schon ganz großes Tennis. Ein Meisterwerk.


    Wie steht mir Tod?
    Die übrigen drei Geschichten sind mit etwa 60-80 Seiten deutlich kürzer gehalten und ich werde jetzt auch mal wieder versuchen mich ein wenig kürzer zu fassen.
    Im Oktober 1956 tappst ein älterer, ziemlich abgebrannter Schauspieler in die Räume der Detektei Fiat Lux. Doch ist er Mann, der sich Nikolson nennt, keineswegs daran interessiert den berühmten Schnüffler Nestor Burma zu sehen. Vielmehr ist er auf der Suche nach dessen Assistentin Hélène, die er von früher kennt. Diese ist leider zurzeit nicht anzutreffen, doch wie sich später herausstellt will sie der angehalfterte Mime um ein privates Darlehen bitten. Nestor Burma lässt sich breitschlagen seine langjährige Mitarbeiterin und Vertraute bei der Besorgung des Geldes zu unterstützen, doch als die Geldübergabe stattfinden soll ist der Mann wie vom Erdboden verschluckt…


    So beginnt ein verschachtelter Ausflug in die Welt des Show-Business, die hinter den Kulissen bekanntermaßen gar nicht so sehr von Glitzer und Glamour geprägt ist, wie es manchmal scheint. Im Vergleich zum ersten Fall geht es deutlich witziger, anrüchiger und auch actionreicher zur Sache, dafür wird die Komplexität etwas zurückgefahren, was die Geschichte etwas einfacher, aber keineswegs langweiliger erscheinen lässt. Trotz satirischen Momenten und einem Anflug von Nonsens-Humor hie und da, wird auch Raum für Traurigkeit und tragische Momente gelassen. Toller Story, angereichert mit tollen Charakteren.


    Die Brücke im Nebel
    Nestor Burma erhält einen seltsamen Brief, in dem er um Hilfe gebeten wird. Der Bittsteller kennt den Detektiv offensichtlich, doch der kann sich beim besten Willen nicht daran erinnern jemals einen Mann namens Abel Benoit gekannt zu haben. Der Weg, den der Schnüffler beschreitet, um der Sache auf den Grund zu gehen, führt ihn nicht nur zu einer geheimnisvollen Fremden, zu Leichen und zu einer heißblütigen Romanze, sondern vor allem zurück in seine eigene Vergangenheit. Damals, 1927, verbrachte er nämlich eine gewisse Zeit im Heim der Vegetalier, wo er Bekanntschaften schloss, die sich als äußerst folgenreich herausstellen sollen. – Und über eine verregnete Brücke wandert traurigen und verstörten Blickes ein hagerer, ausgezehrter Mann…


    Wieder mit deutlich ernsterem Grundton als in der vorangegangenen Geschichte fügt sich nach und nach ein äußerst stimmiges Puzzle vor den Augen des geneigten Lesers zusammen. Ein hervorragend verschachteltes und komponiertes Kriminalstück in verregneter und bedrückender Atmosphäre durch wunderbare Film-Noir-Bilder.


    Kein Ticket für den Tod
    Der vierte und letzte Burma-Fall von Jacques Tardi ist zugleich auch der Geradlinigste, möchte ich meinen. Nicht dass die Geschichte um das Attentat in der Achterbahn nicht wieder eine ordentliche Anzahl an Verdächtigen und möglichen Lösungswegen bereithielte. Auch weitere Handlungsstränge und Einzelschicksale spielen wieder in die schlussendliche Auflösung mit rein, aber insgesamt gesehen haben wir es hier doch mit einem etwas klareren Fall zu tun, bei dem unser etwas gealterter Detektiv, immerhin schreiben wir schon das Jahr 1957, auch körperlich ganz schön was einstecken muss. Rummel, Weingüter, alte Schätze und reiche Erben begleiten uns während diesem Stimmungsvollen Ausklang des Bandes, der sich erneut deutlich anders anfühlte, als die drei Stories davor.



    Das waren also die vier Fälle, bei deren Lösung ich Nestor Burma über die Schulter schauen durfte und ich muss sagen, ich bin enorm begeistert. Schön unterschiedlich und abwechslungsreich und auch wenn der Grundton stets unverkennbar ist, so erwecken die einzelnen Geschichten doch deutlich unterschiedliche Stimmungen. Mal ernsthaft und tragisch, dann wieder sehr verzwickt, vertrackt und durcheinander mit einem Sammelsurium an Charakteren (fast wie bei Adele), dann auch mal überraschend geradlinig mit klarem Rahmen und deutlich weniger Personen, im nächsten Moment oder Fall dann schön leichtfüßig und außerordentlich humorvoll und witzig. Alle enthaltenen Stories bewegen sich bei mir so zwischen 8 und 10 Punkten.

    Nestor Burma ist ein toller Charakter mit Ecken, Kanten, Eigenheiten und trockenem Humor, von dem ich gerne noch mehr lesen möchte, auch wenn es nicht von Tardi ausgearbeitet wurde. Werde mich dahingehend also bald mal dem Schreiber & Leser Verlag zuwenden. Die Gesamtausgabe der Edition Moderne, welche unter gleicher ISBN überraschungsmäßig in vier verschiedenen Farben ausgeliefert wird (ich habe Purpur), weiß in Sachen Druck, Haptik, Papierwahl und durch das schicke Hardcover mit Lesebändchen zu überzeugen, nur redaktionelles Bonusmaterial vermisse ich ein wenig, da hätte es sicher die ein oder andere spannende Anekdote gegeben.

    Es führt wohl kein Weg dran vorbei, ich werde demnächst mal wieder bei Schreiber & Leser wildern gehen müssen, um mir weitere Fälle von Nestor Burma, diesmal von anderen Zeichnern, zu besorgen.

    9/10

    VG, God_W.
    Über Besuch, Meinungen, Diskussionen etc... freue ich mich immer sehr!

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