Unagi oni (dt. etwa
"Der Aaldämon") von Ochiai Yūsuke (Mangaumsetzung) und Takada Yū (Originalroman)
erschienen beim Verlag
Shōnen Gahosha
abgeschlossen in drei Bänden
Erscheinungsjahr: 2014
Inhaltsangabe:
Kurami Masaru steckt bis zum Hals in Geldschulden. Die Schuldner gehen dem Hünen nachdrücklich ans Leder, als ihm plötzlich der zwielichtige Chiwaki aus der Patsche hilft. Fortan arbeitet Kurami hörig für Chiwakis Unternehmen und soll durch seine imposante Statur, ungeachtet seines eher verschlossenen Gemüts, nützlich bei der Schuldeneintreibung werden. Nach und nach verstrickt sich Kurami immer tiefer in den dunklen Machenschaften von Chiwaki, watet inmitten von Drogen, Prostitution und Schmuggel.
Eines Tages wird er in das heruntergekommene Viertel Kuromu gerufen und erhält die Aufgabe, gut fünfzig Kilo schwere Container zu einem Aalhändler zu befördern, ohne dabei Fragen über den Inhalt zu stellen.
Kurze Anmerkung:
Der Titel leitet mit folgenden, bedeutsamen Worten ein: „
Shitterukai? Unagitte no ha tanpakushitsu nara, nandemo kucchimaunda souda… nandemo daze."
Übersetzen lässt sich das etwa mit:
„Wusstest du das schon? Aale fressen alles, was Proteine enthält... absolut alles.“
Ein wundervoller Einstieg in eine sehr düstere und realistische Reise in Richtung Abgrund, in die Unterwelt Tokios, in ein heruntergekommenes Arbeiterviertel getüncht in Rost, in eine Welt, die davon lebt, auszubeuten und zu fressen. Der 33-jährige sehr simpel gestrickte Kurami verändert sich, von einer wortwörtlichen Heulsuse mit zerzaustem Haar, der Sportwetten und Glücksspiel verfallen ist, wird nach und nach ein stoisches Arbeitstier mit abrasierten Haaren, einer schwarzen Sonnenbrille, der wie ein Schoßhund jegliche verwerfliche Aufgabe für seinen einschüchternden Boss Chiwaki übernimmt. Chiwaki transformiert ihn, erfindet ihn neu.
Der Titel basiert auf dem gleichnamigen Horrorthriller-Roman von Takada Yū und ist in nur drei Bänden abgeschlossen. Es ist eine kurze und heftige emotionale Erfahrung, die mit allen möglichen Verderbtheiten einer modernen Gesellschaft konfrontiert. Eindringliche, gut ausgearbeitete Charaktere, wie der unnahbare Kollege von Kurami, Tomita, der gekonnt, mit einer gehörigen Portion Charme, Mädchen für Chiwakis Bordell anlockt oder aber der schweigsame Hide, dessen Gesichtshälfte bei einem Feuer stark entstellt wurde, staffieren dieses atmosphärische Werk gekonnt aus. Es gibt keine wirklichen Sympathieträger, es gibt keine Guten und keine Bösen, es gibt nur Menschen, die tun, was sie müssen oder tun, was sie wollen.
Der Zeichenstil von Ochiai passt in meinen Augen wirklich perfekt zu einem solchen Werk, denn er verpasst den Figuren sehr „realistische“ Gesichter, krumme Nasen, Falten, Bartstoppeln, Schatten auf trüben Gesichtern, all das, was die Figuren lebensecht und niedergeschlagen... getrieben wirken lässt, markant. Der Titel konzentriert sich in den Panels erwartungsgemäß vorrangig auf die Gesichter, bebildert und unterstreicht die Dialoge, wenn aber dann einmal ein Hintergrund zu sehen ist, ist dieser der Stimmung gerecht und detailliert in Szene gesetzt. Die erste deprimierende Ansicht des Viertels Kuromu beispielsweise, mit seinen unzähligen Krähen am Himmel, den rostigen Autowracks in den Ecken, krummen, wirr wirkenden Strommasten und im Mül fischenden Katzen. Es zielt, es trifft, genau da, wo es soll. Zumindest bei mir.
Es gibt nicht viel mehr zu sagen, ohne allzu viel zu verraten, aber der Titel hält die Qualität, die er bereits am Anfang verspricht, den Sog in diese moralisch korrumpierte Welt, konstant über alle drei Bände aufrecht. Er ist über die Länge hinweg ohnehin sehr düster und trostlos, aber an einigen schockierenden Stellen ist er sogar mehr, ein kräftiger Schlag in die Magengrube. Ich kann den Titel daher wirklich nur empfehlen, all denen, die auch nur ein wenig mit ernst erzählten Gangster-Thrillern anfangen kann, den gnadenlos ehrliche und glaubwürdige Charakter- und Milieustudien der Unterschicht und diese Welt im Zwielicht ansprechen
Die Serie ist übrigens auch in Frankreich veröffentlicht worden, dort bei dem Verlag
Komikku unter dem Titel „
Anguilles Demoniaques“. Die Wahrscheinlich einer deutschen Veröffentlichung sehe ich sehr zwiegespalten. Einerseits ist da als großes Plus die überschaubare Länge, was das Ganze sympathisch kalkulierbar macht, andererseits gibt es scheinbar nur sehr wenige Titel von
Shōnen Gahosha, die durch deutsche Verlage überhaupt lizenziert wurden. Vielleicht irgendwann einmal bei Carlsen, vielleicht auch bei Tokyopop, bei beiden in einer schönen, hochwertigen Aufmachung, denn der Titel ist es definitiv Wert. Die Ziegruppe sind hier sicher ausschließlich erwachsene Leser. Vielleicht ist er auch ein wenig zu "düster" für den deutschen Markt, einige Szenen sind schon recht derb, das nüchterne Thema, das Setting, alles üblicherweise recht schwer zwischen bunter Fantasy und melancholischen Schulhofromanzen vermarktbar. Es wäre allen Interessierten dennoch zu wünschen, dass sich einmal jemand an einen solchen kompromisslosen und stimmungsvollen Unterweltthriller mit japanischer Note heranwagen würde.
Originalcover der Bunko-Ausgabe von "Unagi oni", der Romanvorlage von Takada Yū, erschienen beim Verlag Kadokawa Shoten 2010.
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