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Ich benutze mein Smegma wie andere ihre Parfümflakons. Mit dem Finger kurz in die Muschi getunkt und etwas Schleim hinters Ohrläppchen getupft und verrieben. Wirkt schon beim Begrüßungsküsschen Wunder. Grimmepreisträgerin Charlotte Roche hat ihren ersten Roman geschrieben, und der Plot von "Feuchtgebiete" ist schnell erzählt: Nach einer missglückten Arschrasur liegt die 18-jährige Helen mit einer Analfissur im Krankenhaus. Sie nutzt die Tage auf der Station, um einen Plan zu schmieden, der ihre geschiedenen Eltern wieder zusammenbringen soll. Vor allem aber experimentiert sie mit allen Körperöffnungen, lebt ihre ganz eigenen Vorstellungen von Sexualität und Hygiene und irritiert damit den Krankenpfleger Robin. Hämorrhoiden, Analverkehr, Toilettenexperimente, ausgefallenere Masturbationsvarianten: Atemlos und mit schmuckloser, sehr direkter Sprache hetzt Roche von Tabu zu Tabu. Manchmal müssen Neologismen her, wenn dem Duden bei Roches Detailverliebtheit die Worte ausgehen. Für verkrustete Spermareste unterm Fingernagel etwa führt sie das Wort Sexandenkenkaubonbon ein. Doch die Schockeffekte sind keine billige Provokation - eigentlich setzt Roche mit ihrer Heldin nur um, was bereits seit '68 in Sachen Gleichberechtigung von Frauen gefordert wird. Und dann liest sich das Smegma hinterm Ohrläppchen als Plädoyer für ein positives Verhältnis zum eigenen Körper und zur Sexualität.
Eklig? Geschmacklos? Erschreckend? Nur ein gehypter Bestseller? Oder doch ganz originell? Ich habe selten die Rezensionen eines Buches so weit auseinander gehen sehen. Wie ist eure Meinung?

Ich persönlich fand das Buch durchaus interessant. Zwar wandelt es auf einem schmalen Grad zwischen Humor und purer Inhaltslosigkeit; einige der beschriebenen Szenen wirken viel zu überspitzt, aber am Ende ergibt die Geschichte im Ganzen doch einen Sinn. Sicherlich ist "Feuchgebiete" kein literarisches Meisterwerk, aber das sollte man beim Lesen vielleicht auch nicht erwarten. Dennoch ist es ganz klar ein Buch, was Diskussionsstoff en masse bietet.