Das Grauen von Schloss Montserrat
aka
Eine Jungfrau in den Krallen von Zombies
aka
Christina, Prinzessin der Lust
aka zig weitere Titel, Belgien/Frankreich/Liechtenstein/binzufaulzuverifizierenwasnoch 1973 (u.a.), Regie: Jess Franco
Einige Anmerkungen.
- Um Franco-philer (ich weiß, sorry) zu werden braucht man filmischen Forschergeist. Einmal angefixt (das kann dauern, aber ich empfehle dranbleiben) kann man sich nunmehr an einem schier unerschöpflichen Korpus von ca. 200 Werken abarbeiten und stets Neues entdecken (auch bei Filmen, die man schon zigmal gesehen hat, dazu gleich) und sich freuen, wenn man auch obskurste Bestandteile der Filmografie eines Tages an Land zieht. (Ich suche z.B. immer noch "Lolita am Scheideweg" von 1980 mit Katja Bienert, ist momentan wohl vom Antlitz der Erde verschwunden, lief aber vor ein paar Jahren auf einem der Hofbauer-Kongresse; brillante Rezi von Silvia Szymanski gibt es hier zu besichtigen: https://www.hardsensations.com/2013/...13-jahrigen-5/).
Gefunden habe ich vor kurzem allerdings the aptly-titled "The Sex Is Crazy" ("El Sexo Está Loco", 1981) oder auch den bereits erwähnten "Macumba Sexual" (1981), beides extrem seltsam, eigenwillig und empfehlenswert. Bei "In 80 Betten um die Welt" aka "Mondo Erotico" aus der Erwin C. Dietrich-Phase bin ich irgendwann in unkontrolliertes hysterisches Gekicher ausgebrochen. Es lohnt sich alles.
- Francos Werk ist idiosynkratisch, d.h. auf Deutsch soviel wie aus einem komplett spinnerten Paralleluniversum gnädigerweise zu uns geweht, als Ausdruck von Autorentheorie hoch 10 sowie extremer filmischer Dissonanz. Sein Gesamtwerk ist genau das, ein Gesamtwerk mit immer wiederkehrenden Selbstzitaten und (fast immer) Instant-Wiedererkennungswert. Obwohl aus zehntausend Einflüssen gespeist (etwa alten Universal-Horrorfilmen und alles von Godard über Franju bis hastdunichtgesehen), ist seine Mixtur einzigartig, ja inkommensurabel, wie der Dichter schrieb (der meinte das leicht anders, aber auch scheißegal). D.h., wenn du einen Jess Franco Film siehst, dann siehst du keinen normalen Film - von dem Gedanken kannst du dich gleich verabschieden, nein du begutachtest ein rätselhaftes Artefakt, das sich keine Sau hundertprozentig erschließen kann. Du siehst also: Kunst. Abwegige Kunst. Eine Kunst, deren Ursprung und Sinn - geschweige denn Existenzberechtigung, wenn du noch Franco-Novize bist - du (meistens) nicht verstehst. Das ist so und das ist gut so. Franco-Filme sind für ZuschauerInnen, die filmisch herausgefordert werden möchten.
- Vorliegende Blu-Ray von der ehrenwerten Firma Donau Film enthält einen erotischen Horrorfilm von Jess Franco. Das wiederum heißt, du musst vergessen, was sich humanoide Lebensformen landläufig unter einem "erotischen" und/oder Horrorfilm vorstellen. Dies hier ist halluzinatorisches Delirium, nicht ein "Film" im üblichen Sinne. Schon gar nicht "Trash" im üblichen Sinne. Ebenfalls ein schlimmes Missverständnis.
- Vorliegende Blu-Ray von der ehrenwerten Firma Donau Film enthält mehrere Fassungen des Films. Ich empfehle dringend die Langfassung mit dem Titel "EJindenKvZ" (im Bonusmaterial). Diese wiederum enthält die für 80er-Jahre-Reprise nachgedrehten (von Jean Rollin) komplett lächerlichen Zombieszenen. Tu es bitte trotzdem. Außerdem verfügt diese über einen Audiokommentar von Christian Keßler und Pelle Felsch, der gerade für Menschen, die dieses Ding alleine anzuschauen versuchen und nun "what the fuck" brüllen", extrem hilfreich sein dürfte. Er ist leicht, lehrreich und reizt zum Schmunzeln. Man fühlt sich nicht so allein gelassen von dem kryptischen Mysterienspiel des Meisters. Auch die beiden Herren geraten bisweilen an die Grenzen ihres Verständnisses ("Was ist, Christian? Du sagst ja nichts mehr" - [sinngemäß] "Nein, ich blicke fasziniert auf dieses Spektakel"). Genau. Fasziniert auf etwas Seltsames schauen, darum geht's bei Franco-Filmen.
- Ab und zu schau ich mal wieder in die Blu-Ray* rein, manchmal den halben Film, manchmal nur den verrückten Anfang mit der kakophonen Titelmusik und der anschließenden "Nosferatu"-esken Einführungsszene mit der reizenden Christina von Blanc vor abstraktem Hintergrund und darauffolgendem jenseits-von-bekloppten Auftritt des Meisters selbst als schwachsinniges Faktotum etc., manchmal mit dem Audiokommentar, manchmal ohne... Ein Phänomen bei Franco ist, dass ein Film niemals zweimal "gleich" ist, er vielmehr bei jedem Ansehen kaleidoskopartig neue Facetten aufweist, und in manchen Fällen, wie in diesem, mit jedem einzelnen verfuckten Ansehen BIZARRER wird. Jean-Luc Godard sagte mal bezüglich des erstmaligen Ansehens eines Films, wenn man ihn nochmal anschaue, dann sehe man ihn eben zum ersten Mal zum zweiten Mal. Daran muss ich zu später Nachtstunde, wenn mal wieder Teile von "Eine Jungfrau in Dingenskirchen" durchs Wohnzimmer flirren, immer denken.
*ob die DVD die gleichen Funktionen hat weiß ich nicht; auch bei der Blu-Ray steht außen nicht viel drauf
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