Sind wir im Reich der Märchen und Träume
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Original geschrieben von Predantus
... die Digedags betätigen sich eher klassenkampfmäßig als Robin Hoods in Samtpantofeln, indem sie dem Reichen was wegnehmen und unter den Armen verteilen, wobei die Armen im Fall des Mosaik eher die in der damaligen DDR viel geschmähten privaten Handwerker und Kleinunternehmer sind. Aber welches Kind interessiert sich schon für solche Dinge.
... im Unterschied zur Handwerkern und Kleinunternehmern in der DDR genügte beim Töpfer allerdings auch schon ein einziger Steuerbefehl, um ihn in den Konkurs zu treiben. Vielleicht könnte man hier ja auch einen ersten Seitenhieb auf den beginnenden Niedergang des privaten Handwerks sehen? Seit 1952 begann Wandlung und Zusammenfassung privater Handwerksbetriebe in genossenschaftliches Eigentum (PGH). Waren 1955 noch 40 Prozent der Berufstätigen selbständig und in privaten Kleinunternehmen tätig, so traf dies 1970 nur noch auf 17 Prozent und 1989 nur noch auf 5 Prozent der Berufstätigen zu. (Siehe auch hier)
Zitat:
Original geschrieben von Predantus
Ein wenig enttäuschen fand ich es von Anfang an, dass die Herkunft der Digedags auch im Heft 1 nicht erklärt wird. Sie sind einfach da. Ja ich weiß, viele sehen ihr Auftauchen aus den Krügen als eine Art von Geburt an, indem sie ihnen, wie der Geist aus der Flasche, entsteigen. Doch das kann ich nicht ganz nachvollziehen, denn immerhin kennen die ganzen Handwerker, denen sie zur Hand gehen, sie beim Namen. Haben sie sich vorgestellt und es wurde uns nur nicht gezeigt? ... Eher wird es wohl so gewesen sein, dass die Digedags aufgrund ihrer Streiche schon vorher unangenehm aufgefallen sein werden.
Hannes Hegen hat das Mosaik eindeutig nicht als "Biografie" der Digedags verfasst. Es ging ihm darum, lustige, spannende und lehrreiche Bildergeschichten in die Kinderstuben zu bringen. Und wie auch in vielen anderen Geschichten, beginnt die Nr.1 nun mal nicht mit der Geburt der Digedags (das hat ja Ulf für Hegen erledigt), sondern mit irgend einem ihrer Abenteuer. Uns wird in den nächsten Jahren noch sehr oft auffallen, dass es genug Ideen und Basismaterial gegeben hätte, die Digedags-Geschichten bis weit in das 21. Jahrhundert zu fortzusetzen.
Warum also werden die Digedags von ihren Gegenspielern zumeist ohne förmliche Vorstellung erkannt? Ich begründe das ganz simpel mit der Tatsache, dass wir es mit einem Comic, und nicht mit einem Abenteuerroman (z.B. von Karl May) zu tun haben. Man stelle sich doch nur mal vor, wir müssten permanent die Vorstellungsszenen über uns ergehen lassen. Mit allen Ausschmückungen, die notwendig wären um es nicht langweilig zu gestalten, kämen wir locker auf die doppelte Seitenzahl :eek: (ohne der Geschichte mehr Substanz zu geben). Der Autor hat zu Recht konsequent festgelegt, nur die entscheidenden Augenblicke aus den Abenteuern zu zeigen. Natürlich kommt es auch mal vor, das die Helden sich, teilweise subtil wie in der Nr.9, selbst vorstellen.
Zitat:
Original geschrieben von Predantus
Die nächste interessante Frage, die man sich stellen könnte wäre die, nach dem genauen Handlungsort. .... Deshalb denke ich mal, zumal es in Heft Nummer 1 Zauberer und Geister gibt, dass die Handlung gar nicht wirklich an einem existierenden Ort spielen soll. Es ist ganz einfach eine orientalische Märchenstadt, vielleicht sogar Teil jenes Landes der Märchen und Träume, in das die Digedags in Heft 223 zurückkehren wollten.
Also das Land der Märchen und Träume stelle ich mir nun wirklich anders vor. Selbst wenn wir eine Umfrage beim Sultan und seinem Hofstaat, den Handwerkern, dem Zauberer oder dem Muezzin durchführen könnten, würde vermutlich keiner der Befragten angeben, er lebe im Märchenland. Märchenhaft ist zwar einiges, märchenhaft wie der Mythos des Morgenlandes. Die Handwerker mögen es auch als Wunder empfunden haben, ihr Gold zurückerhalten. Aber wie lange brauchten wohl die Schergen des Sultans nach der Flucht der Digedags, um die Staatskasse mit den gleichen Goldstücken erneut zu füllen? Wie echte Revolutionäre sehen mir Hassan, Achmed und Ali nämlich nicht unbedingt aus. Und wo sollte der geheimnisvolle Übergang von der Märchen- in die reale Welt sein? Soll etwa der Schub, den die Digedags in Heft 2 durch die Speere in das Heckteil ihres Bootes erhalten ausreichend für den Sprung in eine andere Dimension sein? Wohl kaum ;). Und das Schuhwerk? Schon wahr, ein gewaltiges Teil! Aber wenn ich mir ansehe, welch merkwürdige Fußbekleidung allgemein im Comic üblich ist, wundert mich der Stiefel nicht wirklich. Doch wenn wir diesbezüglich schon spekulieren, warum dann nicht so:
1955 war die Wiederbewaffnung der beiden Deutschen Staaten, die schon zwischen 1948-1951 begann, abgeschlossen. Im November gründete sich die Bundeswehr und im Januar 1956 entstand die Nationale Volksarmee (NVA) durch Umbenennung und Erweiterung der Kasernierten Volkspolizei. Johannes Hegenbarths Blick für politische Satire wurde nicht zuletzt durch seine Tätigkeit beim "Frischen Wind" geschärft. Warum sollte also der übergroße Soldatenstiefel neben seinem Comic-Charakter nicht gleichzeitig ein verstecktes satirisches Element besitzen?
Ich gehe also davon aus, dass es allein Sache des Lesers ist, sich ein eigenes Land der Märchen und Träume zu erschaffen.