Sehr cinematisch, was sich auch daran äußert, dass mehrere Morde in die Handlung eingebaut wurden, die einerseits closure für den Protagonisten bieten, aber die Geschichte durch eine wirklich gewaltige Anzahl von aneinandergereihten Zufällen durchaus konstruiert wirken lässt. Das ändert natürlich nichts daran, wie sehr einen der Manga emotional mitnimmt! Für mich allerdings nur im regulär-empathischen Sinne - warum? Nun, hier eine komplette Auflistung von religiösen Einflüssen bei mir:
- Evangelisch von meiner mütterlichen Großmutter und die generelle Umgebung - Norddeutschland...
- Alt-Reformiert von meinem Vater (mit spicy Doppelprädestination! Mein Vater hat mir den Heidelberger Katechismus mal gezeigt und... oh ha! Heute natürlich ökumenisch beschwichtigt)
- Baptistisch von meiner Mutter (keine hot takes, ewige fencesitter)
- Anglikanismus bei Austen (wobei höchstens Mansfield Park und selbst da sehr generisch... aber ich glaube, das liegt auch dran, dass Anglikanismus einfach selbst sehr generisch ist)
- Methodismus bei Anne Bronte und "The Tenant of Wildfell Hall" - ich sehe auch ein paar Parallelen in Sachen "Was tun bei missbräuchlichen Beziehungen" und Vergebung und stelle mir natürlich gleich ein Crossover mit dem Manga hier vor (wie ein Protagonist mit Glauben an universelle Rekonziliation das sehen würde!)
- Östlich-Orthodox (Mütterlicher Onkel und ältester Cousin)
Und dann noch Judentum (von reformatorisch bis orthodox, aber nicht ultraorthodox - zweite Crossoveridee selbstverständlich: Das ganze als Misnagdim-Familie in Litauen und die Reise auch hier in den Süden, klar) durch eine Sängerin, einen Journalisten, eine Menge Bücher und eine KZ-Gedenkstätte fast vor der Haustür. Also praktisch alles außer Katholizismus.
Der Fakt, dass in den Konfessionen, die ich kennengelernt habe, so andere Werte die Aktionen und Gedanken der Menschen lenken, hat eher dabei geholfen, ein angenehm unangenehmes Gefühl der Befremdlichkeit bei Alains Gedankengängen hervorzurufen. Vor Allem Erbsünde, was im Manga stark thematisiert wird (und auch die Strafe der Kinder für die Sünden der Eltern, auch in der Moderne) - in der Kirche, in der ich aufgewachsen bin, wurde Sündenvererbung gar nicht und Erbsünde als Konzept kaum thematisiert und wenn, dann nur als Überleitung zum "aber...".
Dass christliche Darstellungen in Manga fast immer katholische Züge haben, (Eduard Wernicke aus Absolute Obedience fällt mir natürlich gleich ein - Motomi aus Togainu no Chi ist in der Konfession vager) hat natürlich einmal den Grund, dass Katholizismus immer noch eine der zwei Hauptkonfessionen ist, aber auch die Rituale und Ikonographie, die besonders gut ~inszeniert~ werden können. Sex (oder hier eine Vergewaltigung, trocken ergänzt) vor einem Altar und dann noch vor einer Statue einer Heiligen oder vor Jesus selbst führt zu einem ganz anderen Kontrast als das Gleiche vor einem einfachen Kreuz oder gar im sonst so gemütlichen Jungscharraum, der ebenso gut ein generisches Wohnzimmer sein könnte, wenn auch mit etwas veralteten Möbeln. Deprimierender Rezensions-Abschluss für einen deprimierenden Manga - hat mir aber gefallen~.